Aus der Bretterbude vor dem Stuttgarter Rathaus wird ein „Almdorf“. Foto: /ubo

Weihnachten ist längst vorbei – die Holzbude, in der es Glühwein gab, steht noch immer vor dem Rathaus. Dass die Hütte nicht abgebaut wurde, hat viele verärgert. Wirtin Denise Schuler erklärt unserer Redaktion den Grund: Sie macht ein Almdorf daraus.

Unter den Brettern lagen noch die Reste eines Weihnachtsbaumes – drei Monate nach Weihnachten! Kaum hat unsere Redaktion nachgefragt, warum am Rathaus die Bretterbuden samt nadelnder Erinnerung ans Christfest noch stehen, haben zwei Mitarbeiter der sanierten und nach vielen Jahren neu eröffneten Lokalität the Ratskeller – sie ist für die Außengastro mit Selbstbedienung am Marktplatz verantwortlich – das Reisig entfernt und zusammengekehrt. An der Pandemie, sagt Wirtin Denise Schuler, liege es, dass in dieser zentralen City-Lage eine geschlossene Hütte noch immer fast traurig herumsteht, als habe man sie bestellt und nicht abgeholt. Der Schreiner, der aus dem Winter- ein Almdorf machen soll, sei an Corona erkrankt und habe den Umbau verschieben müssen, so Schuler.

In den nächsten Tagen aber soll die Verwandlung in alpenländisches Flair starten. Die dann reich verzierte Hütte wird vermutlich an das Almhüttendorf auf dem Stuttgarter Frühlingsfest erinnern, das sich am 16. April auf dem Cannstatter Wasen nach zweijähriger Coronapause zurückmeldet und seit einigen Tagen aufgebaut wird.

Auf Lebkuchenherzen steht: „the ratskeller in the Länd“

Stuttgart besitzt schöne Hügel, die traumhafte Aussichten gewähren, aber keine Berge mit Almwirtschaft. Almhütten sind laut Lexikon „Wohn- und Stallungsgebäude, in denen die Viehhirten (Senner) den Sommer über leben, während sie das im Gebirge auf der Alm weidende Vieh betreuen“. Für Großstädter sorgt dieser Anblick für Urlaubsgefühle – und dann auch für Durst. Im „Almdorf“, so der offizielle Name, wird „Frühlingsfestbier“ von Dinkelacker ausgeschenkt, kündigt Wirtin Denise Schuler an, außerdem gibt’s – alles in Selbstbedienung – Almdudler, Enzian, Kässpätzle, Almvesper mit Pfefferbeißern sowie Lebkurzenherzen, die eine Denglish-Botschaft in die Welt zum Vernaschen tragen sollen: „the ratskeller in the Länd“. So sehr sich schwäbischer Protest gegen englische Sprachversuche erhoben hat, so gut verkaufen sich Souvenirs mit der kritisierten Inschrift – dies hat schon das Land mit der Kampagne „The Länd“ erlebt. 60 bis 80 Sitzplätze soll’s im Almdorf geben, das von 12 bis 21 Uhr geöffnet ist.

Erste Bilanz des Ratskellers fällt positiv aus

Das Winterdorf mit Glühwein und Würsten sei „sehr gut“ angekommen, berichtet Denise Schuler. Der Verkauf war schon wochenlang geschlossen. Dennoch hätten Unternehmen „bis tief in den März“ die Gastro-Außenfläche exklusiv gebucht. Deshalb sei es für the Ratskeller von Vorteil, dass die Buden nicht abgebaut wurden. „Die Corona-Auflagen haben den Betrieb des Winterdorfs etwas schwierig gemacht“, so Schuler, „aber im Großen und Ganzen ist es gut angelaufen – abgesehen von kleinen Schwierigkeiten, die es bei jeder Eröffnung gibt“.

Ihre erste Bilanz für den Ratskeller im Inneren fällt ebenfalls positiv aus: „Wir haben ein sehr buntes Publikum. Es kommen viele junge Leute, aber auch Senioren kehren gern bei uns ein.“ Ein Problem sei die wachsende Inzidenz in Stuttgart. Die Krankenstände beim Personal wie auch bei den Gästen seien momentan sehr hoch. „Wir merken das besonders am Mittagstisch“, sagt Denise Schuler. Die Almhütte im Freien soll nun den Umsatz ankurbeln. Eröffnet wird, wenn alles nach Plan läuft und wenn nicht erneut zahlreiche Mitarbeiter an Corona erkranken, „in den nächsten acht Tagen“.