Die Stadt sichert sich künftig bei der Grundstücksvergabe an Wohnungsbauunternehmen weitreichende Befugnisse. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Monatelang hatten die Stadträte über eine Neuaufstellung der kommunalen Bodenpolitik debattiert. Nun hat der Gemeinderat einem Kompromisspapier zugestimmt. Nur eine Fraktion wollte da nicht mitgehen.

Stuttgart - Nach monatelangem Ringen um eine Neuausrichtung der städtischen Bodenpolitik hat der Gemeinderat am Donnerstagabend mit großer Mehrheit einen Grundsatzbeschluss für eine aktivere Rolle der Kommune beim Verkauf und Ankauf von Grundstücken gefasst. Dem Beschluss vorausgegangen waren intensive Verhandlungen zwischen den Fraktionen um einen Kompromiss, der eine breite Zustimmung zu der neuen Strategie möglich machen sollte. Am Ende stimmten dann auch mit Ausnahme des Linksbündnisses alle im Rat vertretenen Parteien zu. Der Beschluss soll dem Ausverkauf von Grundstücken an private Investoren einen Riegel vorschieben und so der Bodenspekulation entgegenwirken. Die Stadt will so mehr günstiges Bauland schaffen, um vor allem den sozial geförderten Wohnungsbauanzukurbeln.

Wahlrecht für Investoren zwischen Erbpacht und Ankauf

Strittig war bis zuletzt, ob bei der Vergabe städtischer Grundstücke nur die Erbpacht oder auch der Ankauf der Areale durch Wohnungsbauunternehmen zum Zuge kommen soll. Der Beschluss beinhaltet nun ein Wahlrecht zwischen Erbbaurecht und Ankauf. Bevorzugt zum Zuge kommen sollen dabei neben der städtischen Wohnungsbautochter SWSG Wohnungsbaugenossenschaften sowie Baugemeinschaften. Die Konditionen gelten aber auch für weitere Partner im kommunalen Bündnis für Wohnen – sie müssen allerdings bestimmten, vom Gemeinderat noch zu definierenden Verpflichtungen nachkommen. Diese könnten etwa Belegungsrechte für Menschen mit Wohnberechtigungsschein oder auch eine Mietpreisbindung beinhalten.

Um das Erbaupachtrecht attraktiver zu gestalten, wird der Pachtzins von bislang vier auf zwei Prozent gesenkt, die Laufzeit der Erbbaupachtverträge auf eine Laufzeit von 100 Jahren gestreckt. Sie sind zudem künftig auf bis zu 100 Prozent des Werts der Erbbaupacht beleihbar (bisher 70 Prozent). Die Stadt behält sich zudem künftig umfangreiche An-, Vor-_ und Wiederkaufsrechte vor, um sicherzustellen, dass Grundstücke etwa bei Verstößen gegen vereinbarte Vertragsinhalte an die Kommune zurückfallen.

Ratsmehrheit und OB Nopper zufrieden mit dem Kompromiss

OB Frank Nopper (CDU) hatte zuvor für eine breite Zustimmung zu dem Kompromisspapier geworben: „Wir wollen mehr Flächen für den Wohnungsbau sichern. Wir wollen mehr Wohnraum, gerade auch für Haushalte mit geringerem und mittlerem Einkommen schaffen. Und wir wollen aktiver, bezahlbarer und nachhaltiger sein.“

Sprecher von Grünen, CDU, SPD, FDP, Freien Wählern, Puls und AfD äußerten sich lobend über den Beschluss. Petra Rühle (Grüne) hob hervor, Ausnahmen bei der Grundstücksvergabe seien nur noch dann möglich, wenn sie in städtischem Interesse lägen. Die Stadt habe es nun in der Hand, wer in Stuttgart Grundstück erwerbe, sagte Carl-Christian Vetter (CDU). Das Ziel seiner Fraktion – das Wahlrecht zwischen Erbbaupacht und Kauf – sei mit dem Kompromiss erreicht. Martin Körner (SPD) sprach von einem „Paradigmenwechsel“ und warb in Folge des Beschlusses für ambitionierte Wohnungsbauziele „auch im Außenbereich“ der Stadt.

Linksbündnis wirft Grünen vor, Mehrheit mit CDU gesucht zu haben

Das Linksbündnis dagegen bemängelte, dass neben der SWSG und Wohnungsbaugenossenschaften auch andere Partner im Bündnis für Wohnen bei der Grundstücksvergabe zum Zug kommen können. Frei finanziertem Wohnungsbau sei somit weiter möglich: „Wir brauchen keine Eigentumswohnungen“, so Stadträtin Johanna Tiarks. Das Linksbündnis warf speziell der Grünen-Fraktion vor, sich in diesem Punkt bei den interfraktionellen Gesprächen nicht bewegt zu haben. Tiarks: „Sie haben eine Mehrheit mit der CDU gesucht.“