Der Verstorbene wird in einem Kokon in Naturmaterialien gebettet. Foto: Meine Erde

Feuer- und Erdbestattungen sind derzeit die zwei gängigen Bestattungsmethoden in Deutschland. Erprobt wird derzeit eine weitere Alternative. Ein Stuttgarter Bestatter klärt auf.

Der Tod ist ein Thema, über das viele Menschen nicht gerne nachdenken, das aber unausweichlich auf uns zukommt. Dabei stellt sich die Frage, was nach dem Tod passiert. Aus spiritueller Sicht bleibt diese Frage schwer zu beantworten. Doch was mit dem Körper geschehen soll, reduziert sich für die Angehörigen in Deutschland meist nüchtern auf zwei Optionen: Erd- oder Feuerbestattung.

Inzwischen scheint sich das Spektrum zu erweitern. Anfang Oktober fand im baden-württembergischen Landkreis Karlsruhe die erste Einbettung eines Verstorbenen in einen sargähnlichen Kokon statt. Der verstorbene Förster hatte sich für eine besondere Bestattungsform entschieden, die Reerdigung.

Dabei wird der Körper der verstorbenen Person durch körpereigene Mikroorganismen in Humus umgewandelt. Dieses Verfahren ist bisher nur in Schleswig-Holstein erlaubt. Auch in Stuttgart gibt es Menschen, die sich diese Bestattungsform wünschen. Ein ortsansässiges Bestattungsunternehmen erklärt, wie eine Reerdigung für Menschen aus der Region derzeit abläuft.

Reerdigung – Die neue Alternative?

Die Feuerbestattung, bei der der Leichnam verbrannt und die Asche in einer Urne beigesetzt wird, ist die in Deutschland am häufigsten praktizierte Bestattungsform. Daneben gibt es die Erdbestattung, bei der der Leichnam in einem Sarg beigesetzt wird.

In den letzten Jahren hat sich jedoch eine neue Bestattungsform etabliert: die sogenannte Reerdigung. Während diese Form der Kompostierung menschlicher Überreste in einigen US-Bundesstaaten bereits legal ist, befindet sie sich in Deutschland noch in der Erprobungsphase. Hierzulande wird die Reerdigung seit dem Jahr 2022 vom Unternehmen „Meine Erde“ angeboten.

In Baden-Württemberg ist eine Reerdigung noch nicht zugelassen, da es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt. Erd- und Feuerbestattung sind gesetzlich verankert, was eine Voraussetzung dafür ist, dass eine Bestattungsform erlaubt ist. Jedes Bundesland regelt dies individuell. Aktuell ist diese Bestattungsform nur in Schleswig-Holstein möglich.

So funktioniert die Reerdigung

Bei der Reerdigung wird der Körper des Verstorbenen in einen sargähnlichen Kokon aus Naturmaterialien aus Heu, Stroh und Luzerne gebettet. Zusätzlich wird Aktivkohle beigemischt. Der Kokon, in dem der Körper 40 Tage verbleibt, wird regelmäßig bewegt, damit die Mikroorganismen ihre Arbeit verrichten können. Bei Temperaturen von etwa 70 Grad im Kokon wird der Körper nach und nach zu Humus zersetzt.

Der Kokon in dem der Zersetzungsprozess stattfindet. Foto: Meine Erde

Nach 40 Tagen öffnen das Unternehmen und ein Bestatter den Kokon. Bis dahin haben sich alle Weichteile des Körpers in Humus verwandelt. Die verbliebenen Knochen werden gemahlen und der neu entstandenen Erde beigefügt. Diese wird in ein Leinentuch gelegt und dem Bestatter übergeben, der die Erde auf einem Friedhof beisetzen kann.

Nachhaltigkeit hat noch Lücken

„Die Reerdigung bietet für viele Menschen eine schöne und ökologische Alternative zu den beiden bekannten Bestattungsformen“, erklärt Olga Perov, Sprecherin von „Meine Erde“. Für viele sei der Gedanke, zu Erde zu werden, tröstlich. Im Gegensatz zur Feuerbestattung verbraucht die Reerdigung keine Brennstoffe, und es entsteht kein Sondermüll in den Filteranlagen der Krematorien.

Manche Menschen entscheiden sich auch aus Nachhaltigkeitsgründen für die Reerdigung. Mark Ramsaier vom Bestattungsunternehmen Ramsaier aus Stuttgart ergänzt: „Prinzipiell stellt die Reerdigung eine sehr ökologische Bestattungsform dar, jedoch nur wenn diese auch in der Nähe angeboten wird. Solange der Körper quer durch die Republik gefahren werden muss, ist dies noch nicht nachhaltig und in Frage zu stellen.“

Könnte Wachsleichen-Problem verhindern

In der Beisetzung der neuen Erde sieht der Bestatter im Vergleich zu Erdbestattungen einen Vorteil: „Ein Vorteil könnte sein, dass auf Friedhöfen mit schlechter Bodenbeschaffenheit eine Zersetzung des menschlichen Körpers nicht stattfindet, folglich ein Mumifizierungsprozess und ein Wachsleichen-Problem erfolgt.“ Ursache dafür ist Sauerstoffmangel im Boden, ein Phänomen, das vor allem in Süddeutschland auftritt. Bei der Reerdigung gebe es dieses Problem nicht. Im Gegenteil: „Die entstehende Erde verbessert den Boden und stärkt die Biodiversität auf dem Friedhof“, so Perov.

Einige Kritiker bemängeln jedoch, dass durch das ständige Wiegen des Kokons die Totenruhe gestört werde. Außerdem dauert der Zersetzungsprozess 40 Tage, was bedeutet, dass vor Ablauf dieser Frist keine Beisetzung stattfinden kann und den Trauerprozess beeinträchtigen könnte.

Beisetzung im Heimatort derzeit nicht möglich

Das Stuttgarter Bestattungsunternehmen Ramsaier ist auch Partner von „Meine Erde“. „Bisher sind mehrere Personen auf uns zugekommen, die sich über diese Bestattungsart erkundigt haben“, teilt Ramsaier mit. Der erste Schritt sei dann der Abschluss eines Bestattungsvorsorgevertrags. „Bei dieser Bestattungsform spenden die Angehörigen aktuell den Körper dem Unternehmen „Meine Erde“ ähnlich wie eine Körperspende für die Medizin“, sagt der Bestatter.

Blick auf das Alvarium in Kiel. Foto: Meine Erde

Verstorbene aus der Region, die sich für die Reerdigung entscheiden, müssen also auch nach Schleswig-Holstein überführt werden. So auch der verstorbene Karlsruher Förster. Dort gibt es zwei sogenannte Alvarien-Standorte in Kiel und Mölln, an denen der Zersetzungsprozess stattfindet. Beisetzungen der neu entstandenen Erde sind aktuell auf Friedhöfen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern möglich.

„In Baden-Württemberg ist die Nachfrage sehr hoch“

Für den Bestatter selbst ändert sich im Grunde nicht viel. „Wir übernehmen dabei dieselbe Rolle wie bei einer Feuerbestattung“, berichtet der Stuttgarter Bestatter. Menschen, die sich diese Bestattungsform wünschen, hoffen darauf, dass der Gesetzgeber die nötigen Voraussetzungen schafft, damit die Reerdigung auch in den anderen Bundesländern und auf den heimischen Friedhöfen möglich wird.

„Gerade aus Baden-Württemberg ist die Nachfrage sehr hoch“, bestätigt Perov. In einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2023 gaben rund 61 Prozent der 2000 Befragten an, dass sie es wichtig fänden, wenn auch kirchliche Friedhöfe die Reerdigung ermöglichen würden.

Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber in Baden-Württemberg auf die Pilotphase in Schleswig-Holstein reagiert – und ob der verstorbene Förster aus Karlsruhe nach seiner Reerdigung doch noch einen Weg in seine Heimat findet.