Der blaue Alpenbock ist gefährdet, kann aber auf der Alb gefunden werden. Foto: Aah-Yeah/Flickr

Insektensterben ist ein weltweites Problem. Das Naturschutzzentrum Schopflocher Alb fokussiert sich deshalb in diesem Jahr verstärkt auf dieses Thema.

„Sie sind absolut faszinierend. Manche finden wir schön und andere abstoßend“, sagt Marco Drehmann über eines seiner Lieblingsthemen: Insekten. Der Entomologe, also Insektenforscher, leitet das Naturschutzzentrum Schopflocher Alb in Lenningen-Schopfloch. Er erklärt: „Wir brauchen sie als Bestäuber, sie sind Nahrungsquelle für viele andere Tiere und sie erfüllen eine wichtige Aufgabe als Aufräumkommando in der Natur.“

Eine dramatische Entwicklung

Um auf die nützlichen Tiere aufmerksam zu machen und auch über deren faszinierende Lebenswelten aufzuklären, liege der Fokus des diesjährigen Jahresprogramms des Naturschutzzentrums auf ihnen. Das sei nötig, denn es gebe ein Problem: Seit mehreren Jahren werde ein massiver Insektenrückgang verzeichnet. Laut der sogenannten Krefeldstudie, die in den Jahren von 1989 bis 2016 durchgeführt wurde, nahm die Biomasse an flugfähigen Insekten um knapp 77 Prozent ab – im Hochsommer lag die Durchschnittsquote bei mehr als 80 Prozent. Ein starkes Indiz dafür, dass es den flugunfähigen Insekten nicht gut ergeht.

„Man sieht es an den Autos“, so Drehmann. „Vor 20 Jahren musste man noch regelmäßig die Front von getrockneten Insekten befreien, heute ist das kaum noch nötig.“ Das sei eine fatale Entwicklung, denn „ohne Insekten geht nichts“. Für den Schwund gebe es viele Gründe: Globalisierung, Umweltverschmutzung, Flächenversiegelung und Klimawandel. „Das sind die üblichen Verdächtigen“, sagt der Zentrumsleiter. Mit Vorträgen und in Ausstellungen sollen unterschiedliche Arten und Gattungen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden. Beispielsweise die Hummel, der im Mai ein Vortrag und eine Sonderausstellung gewidmet wird, um über Gefährdung und Lebensweise dieser Bienen im Pelz zu informieren, die als Bestäuber für die heimische Pflanzenwelt eine wichtige Rolle übernehmen. „Das Wildbienensterben ist die bekannteste Facette des Insektensterbens“, sagt Drehmann. Allerdings sei das natürlich nur ein Teilbereich, der bei den Menschen besondere Empathie hervorrufe. Weswegen auch über die sonst eher selteneren Tiere gesprochen werden soll. „Ein bekanntes Beispiel der heimischen Insekten ist der Alpenbock“, so Drehmann. Dieser bis zu vier Zentimeter große Totholzbewohner brauche vornehmlich abgestorbene Buchen, um zu brüten. Eine Baumart, der die trockenen Sommer stark zusetzten. Der Alpenbock steht in Deutschland auf der roten Liste und gilt als stark gefährdet.

Es gibt auch Gewinner der Klimakrise

Durch den Klimawandel gebe es Gewinner und Verlierer bei den Kleinlebewesen. „Beim Thema Gewinner fallen einem oft eher Schädlinge ein. Wie die Miniermotte, die ihre Eier in die Blätter der Rosskastanie legt, oder die Kirschessigfliege“, sagt Marco Drehmann. Deren Auftreten in der Region sei aber nur zum Teil auf den Klimawandel zurückzuführen. Der andere große Aspekt sei die Globalisierung: Insekten reisen per Schiff oder Flugzeug als blinde Passagiere über den Globus.

Die Geschichte der Globalisierung sei aber lang und ebenso lang sei auch die Liste der Neozoen – also der Tiere, die ursprünglich aus einem anderen Gebiet stammen. „Ursprünglich war der Kartoffelkäfer hier nicht heimisch und auch die Kartoffelfäule nicht“, so der Biologe. Selbst die Kartoffelpflanze sei nur durch die Globalisierung nach Europa gekommen. Teilweise sei die durch Menschen verursachte Ansiedlung neuer Arten ein Prozess, der schon vor hunderten von Jahren begonnen habe. „Allerdings gibt es schon viele Insekten, die eigentlich eher in südlichen Regionen beheimatet sind, die sich jetzt bei uns heimisch fühlen.“ Das könne auch zu positiven Überraschungen führen: „Die europäische Gottesanbeterin war hierzulande fast ausgestorben“, erzählt der Entomologe. Inzwischen könne man sie aber wieder in der Region antreffen.

Das Jahresprogramm des Naturschutzzentrums liegt in vielen Rathäusern und Bibliotheken im Landkreis Esslingen aus. Weitere Informationen gibt es im Internet unter: www.naturschutzzentrum-schopfloch.de