Die Staats- und Regierungschefs der Nato trafen sich bei ihrem Gipfel im Plenum. Foto: AFP

Bei den Absprachen und bei der Atmosphäre unter den Verbündeten der Nato gibt es viel zu verbessern, sagt der Verteidigungsexperte Karl Lamers.

London - Vor allem die drei Protagonisten im Bündnis, Trump, Erdogan und Macron sollten sich besser absprechen, sagt Karl Lamers, Sicherheitspolitiker der CDU.

Herr Lamers, hat Macron recht? Bedurfte es seines Weckrufes für die Allianz?

Eines Weckrufes in der Art, wie es Macron gemacht hat, bedurfte es mit Sicherheit nicht. Die Nato ist stark, sie hat sich seit 2014 hervorragend entwickelt. Die Wende kam mit dem Jahr 2014. Wir haben da militärisch-politisch die richtigen Konsequenzen aus der Annexion der Krim durch Russland gezogen. Der Nato-Gipfel 2014 in Wales hat sehr starke Vorgaben gemacht, die beinahe alle Bündnispartner im Begriff sind zu erfüllen. Wir sind jetzt in Estland, Lettland, Litauen und Polen mit Nato-Truppen vertreten. Wir haben das Geld, das jedes Land für sich oder gemeinsam in Verteidigung investiert, in erheblichem Maße erhöht. Insofern tragen wir der Notwendigkeit Rechnung, mehr in unsere Sicherheit zu investieren. Wir tun das nicht etwa, weil US-Präsident Trump das will, sondern weil es in unserem ureigenen Interesse ist.

Und was wurde noch vorangebracht?

Wir haben viele neue Themen auf die Tagesordnung gesetzt. Die Nato prüft, wie man auf hybride Bedrohungen und Cyberattacken reagiert. China war für die Nato lange gar kein Thema. Jetzt haben wir auch zu China eine Position erarbeitet. Da ist viel geschehen in den letzten Jahren. Daher meine klare Antwort: Es bedurfte dieses Weckrufes, dass man die Nato für hirntot erklärt, eindeutig nicht.

Macron macht seine Diagnose daran fest, dass Absprachen zwischen den Verbündeten nicht funktionierten. Konkret bezieht er dies auf den Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien, die Trump mit Erdogan allein am Telefon ausgehandelt hatte . . .

Die politischen Kommunikationsstrukturen sind in der Tat gestört. Da muss vieles verbessert werden. In diesem Punkt sollte die Nato genau das machen, wofür sich Deutschland starkmacht: einen Rat der Weisen aufstellen, der sich Gedanken macht, wie es besser laufen kann. Dann gehört auch dazu, dass man sich in Zukunft besser abspricht. Das betrifft derzeit vor allem drei Protagonisten im Bündnis, Trump, Erdogan und Macron. Bei den Absprachen und bei der Atmosphäre unter den Verbündeten gibt es viel zu verbessern. Der Einzige, der an der jetzigen Lage Freude haben kann, ist Putin.

Macron plädiert für eine Annäherung an Russland. Vor allem die Balten und Polen machen sich ernste Sorgen. Sind sie berechtigt?

Ja, diese Sorgen sind berechtigt. Ich glaube, dass der duale Ansatz der Nato richtig ist, die einerseits auf Abschreckung setzt, andererseits auf den Dialog. Man muss sehr genau aufpassen, was Russland macht. Ich glaube, dass Moskau rein interessenbezogene Politik betreibt. Da ist der Anspruch völlig berechtigt: Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit.

In der Russland-Frage ist Macron also im Bündnis mit seiner Position isoliert?

Das entspricht auch dem Eindruck, den ich aus Gesprächen mit Verbündeten am Rande des Nato-Gipfels gewonnen habe. Unter Verbündeten sollten wir über alles reden können. Wenn die Fakten so eindeutig sind wie bei den russischen Mittelstreckenraketen, kann die Antwort aber nur heißen: Über das Angebot eines Moratoriums aus Moskau sollten wir gar nicht erst anfangen zu diskutieren. Russland hat die Waffen, wir nicht. Ein Moratorium würde ein Ungleichgewicht festschreiben. Das ist nicht zu machen.