Nach sechs Jahren fand in Wernau wieder eine Narrenmesse statt: ein sinnliches und emotionales Erlebnis und gleichzeitig eine ganz klare Botschaft für Menschlichkeit und Miteinander.
1000 Menschen im Gottesdienst – so voll ist die katholische Kirche Sankt Magnus in Wernau wahrscheinlich nicht einmal an Weihnachten. Zur Narrenmesse strömen sie aus allen Richtungen herbei: Hästräger, anders Kostümierte und alltäglich Gekleidete, Kinder und Erwachsene. Viele stehen, denn die Kirchenbänke sind komplett besetzt. „Das Haus ist voll, kein Platz ist leer, was wünscht man sich als Pfarrer mehr?“ wird Pfarrer Joachim Hahn später seine Predigt mit einem Reim beginnen.
„Narrenfunken – Feuer und Flamme“ ist das Motto und es ist viel Leuchten in der Kirche bei dieser zehnten Narrenmesse: durch Illuminationen und Kerzen, durch die Begeisterung all jener, die den Gottesdienst gestalten und auch durch die Appelle an Menschlichkeit und Miteinander, die zu hören sind. „Das innere Feuer – die Begeisterung für eine Sache, sei es die Fasnet oder etwas anderes, darf nicht erlöschen“, sagt der Zunftmeister Markus Mirbauer dazu. „Leidenschaft und Engagement brauchen immer Menschen, die das Feuer weitertragen.“ Ein Video auf der großen Leinwand zeigte zum Einstieg, wie die Flamme nach St. Magnus kommt: Man sieht eine Delegation der Narren, die an der Mariengrotte eine Fackel entzündet und durchs dunkle Wernau trägt, bis zur Kirche. Dort wird es vom „Narrensamen“, dem Nachwuchs der Zunft, übernommen – und tatsächlich tragen die Kinder, begleitet vom Till, dem Büttel und vom Zunftmeister brennende Kerzen durch den Mittelgang nach vorne.
Ein ökumenisches Dreamteam
Die Säulen der Kirche sind angestrahlt und schimmern in Gold und Rot, feurig dirigiert von Wolfram Bolsinger bringt ein gemischter Projektchor gleich zum Einstieg mit einem Gospel Bewegung in den Raum, in seiner Mitte Rita Zink, „das Herz und die Seele der Wernauer Narren“, so Mirbauer. Als die beiden Pfarrer nach vorne treten, gibt es begeisterten Applaus: Wolfgang Schrenk, katholischer Pfarrer im Unruhestand, der schon bei der ersten Narrenmesse dabei war und den die Wernauer für immer ins Herz geschlossen haben. Und sein evangelischer Kollege Joachim Hahn, der ganz offensichtlich am Fasnetstreiben seine Freude hat – ein ökumenisches Dreamteam.
Die beiden sprechen über den Teil des Lukasevangeliums, in dem Jesus zu Feindesliebe und Pazifismus aufruft. Joachim Hahn gelingt das Kunststück, mit einer gereimten Predigt auf Schwäbisch den Bogen über die Jahrtausende zu spannen: War nicht Jesus selbst närrisch mit dem, was er von den Leuten forderte? Über die Funktion der Narren beim Hofstaat – sie waren die einzigen, die unverblümt die Wahrheit sagen konnten – kommt er zum Heute und ruft zu konkretem Handeln im Alltag auf: etwas vom eigenen Wohlstand abzugeben, aufeinander zuzugehen, auch auf „schwierige“ Menschen. In diesem Sinn endet seine Predigt mit dem Aufruf: „Bleibt Narren so – in Gottes Namen, dann isch es gut und ich sag: Amen.“
Illuminationen huschen über die Kirchendecke
„Lasst uns Funken der Freude weitergeben, wo immer wir leben“, ruft Pfarrer Schrenk auf. Die Band Moorland Road spielt in der Ecke, die ganze Kirche singt, der Zunftmeister rockt am Mikrofon. Zeitweise wird es eng im Altarraum, wenn weitere Sängerinnen und Sänger, darunter der Männerchor Mannomann in seinen roten Latzhosen, dazukommen: Alle wollen ein Teil dieses inspirierenden Gottesdienstes sein, viele haben ihn mit Begeisterung vorbereitet. Am Ende huschen Illuminationen über die Kirchendecke, während unten die Knicklichter in vielen Farben leuchten und die Menschen sich in langen Schlangen fürs Abendmahl anstellen. Von den Guggen der Bodenbach-Symphoniker werden sie schließlich musikalisch nach draußen auf den Vorplatz geleitet, wo viele noch lange stehenbleiben.