Beim elften Nachtumzug war der Esslinger Stadtteil Berkheim im Ausnahmezustand. 2000 Hästräger brachten Leben in die nächtlichen Straßen. Foto: Roberto Bulgrin

2000 Hästräger zogen die Blicke beim Nachtumzug in Esslingen-Berkheim auf sich. Die Flegga Kaschber haben die elfte Auflage der Großveranstaltung in Eigenregie organisiert – mit großem Erfolg.

Der elfte Nachtumzug der Berkheimer Flegga-Kaschber in Berkheim hat für Nicola Rogall schon am frühen Morgen begonnen. Da hat die Hästrägerin in der Osterfeldhalle alle für die Party am Abend vorbereitet. 40 Helferinnen und Helfer sorgten dafür, dass nach dem Umzug mit rund 2000 Hästrägern ein rauschendes Fest stieg. Am Sonntag um 5 Uhr morgens mussten die Narren die Halle auch schon wieder räumen. Denn die Kosten für zwei Tage Hallenmiete kann der Verein nicht stemmen.

Das stressige Programm für die Mitglieder tat dem beliebten Event der Flegga-Kaschber aber keinen Abbruch. Die Gruppe gibt es jetzt seit 33 Jahren; der Umzug steigt zum elften Mal. Tausende Besucher kamen, um die Hästräger und Guggenmusik-Gruppen zu erleben. Vor dem Umzug schlüpften Nicola Rogall und die anderen wieder ins Häs der Flegga-Kaschber. „Anhäsen nennt man das“, sagt die 29-Jährige lachend. Mit der Gruppe unterwegs zu sein, das macht ihr Spaß. Sechs Umzüge hat Rogall dieses Jahr schon mitgemacht. „Die Busfahrten sind immer ein besonderes Erlebnis.“ Was bedeutet der Nachtumzug für sie? „Es ist einfach schön, dass man Leute von anderen Gruppen trifft.“ Diese Kontakte machen für Rogall einen großen Reiz des närrischen Treibens aus. Die Ventil Blöterler, eine Guggenmusik aus der Schweiz, ist mit den Berkheimer Narren befreundet und war auch diesmal beim Nachtumzug dabei. Sich über die Fasnetsbräuche in Deutschland und der Schweiz auszutauschen, das findet die Hästrägerin aus Esslingen spannend.

Der Nachtumzug in ihrem Stadtteil Berkheim ist für sie nicht zuletzt wegen der Straßenfasnet schön. „So viele Menschen zu sehen, die man kennt“, das möchte sie nicht missen. Dieses Mal war lange unklar, ob die Großveranstaltung überhaupt stattfinden kann. Denn die Berk-Hexen stiegen aus der Organisation aus – sie haben mit großem Erfolg ihre erste Hexennacht veranstaltet. Zwar mussten die Flegga-Kaschber die Vorbereitungen nun alleine stemmen. Aber die anderen Narrengruppen und Vereine haben sie mit Ständen, Bars und Ordnerdiensten am Umzugstag tatkräftig unterstützt.

Fasnet hat in vielen Familien Tradition

Die Vielfalt der schwäbisch-alemannischen Fasnet fasziniert Nicola Rogall. Bei der Aufstellung plauderte die Hästrägerin kurz mit Carsten und Lucas Marquardt – Vater und Sohn sind bei den Werwölf ausm Gäu, die in Herrenberg ihren närrischen Schabernack treiben. Fasnet hat bei der Familie Tradition. „Auch mein Schwiegervater ist Hästräger und hat seine Begeisterung an uns weitergegeben“, sagt Carsten Marquardt. Er freut sich, dass sich sein Sohn auch für das närrische Treiben begeistert. Die Werwolfmasken mit den Zotteln sehen gruselig aus.

Dagegen wirkt das Häs der Flegga-Kaschber fröhlich und bunt. Es ist aus vielen bunten Flicken genäht. „Mit Zick-Zack-Stich, das ist Pflicht“, erzählt Nicola Rogall. Mit ihren vielen kleinen Glöckchen sind die Hästräger nicht zu überhören. Ihre Larve oder Maske ist aus Holz geschnitzt. Nur die Frisuren sind bei allen ein bisschen anders. Nicola Rogall hat sich für blonde Zöpfchen entschieden. Das sieht lustig aus.

„Die Gemeinschaft“ genießt Tanja Schlichter bei den Berkheimer Narren. Zwar lebt sie inzwischen in Wendlingen. „Aber die Fasnet in Berkheim möchte ich nicht missen.“ Im Häs der Flegga-Kaschber fühlt sie sich wohl. Gemeinsam eine so große Veranstaltung wie den Nachtumzug auf die Beine zu stellen, das findet sie stark. Da sei man stolz, wenn man es geschafft hat. Für die Flegga-Kaschber ist der Aufwand aber immens. „Am Tag danach ziehen wir alle mit Schaufel und Besen durch den Ort“, sagt Tanja Schlichter. Denn man wolle ja nicht, „dass die Leute sagen, die Narren hinterlassen so viel Müll.“ Mit ihrer Freundin Andrea Trautner, die seit 28 Jahren das Häs der Flegga-Kaschber trägt, genießt Schlichter den Umzug. Die zwei Frauen lassen sich einfach treiben und freuen sich, wenn die vielen Schaulustigen am Straßenrand jubeln.

Die Flegga Kaschber haben den Nachtumzug organisiert. Foto: Roberto Bulgrin

Den Berkheimer Umzug führt traditionell der Büttel an, gefolgt von den Narreneltern und den Kindern. Dann kommt die Fasnetsfigur „KaWoGoHeWa“, den Oliver Ramsch verkörpert. Hinter dem Namen verbergen sich die fünf Berkheimer Narrenzünfte Flegga-Kaschber, Erlenwölf, Stoiriegel-Goischter, Berk-Hexen und Waschweiber.

Entlang der Strecke jubeln die vielen Zuschauer, die seit dem Nachmittag Straßenfasnet in Berkheim gefeiert hatten. Viele Fasnetsfans kamen von auswärts. Deshalb waren einige Busse, die im Halbstundentakt vom Esslinger Bahnhof in den Stadtteil verkehren, überfüllt. Die Polizei regelte den Verkehr, alles lief geordnet ab. „Keine besonderen Vorkommnisse“, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen. Auch die Gäste mit ihren fantasievollen Kostümen zogen die Blicke auf sich. Sylvia Spahr aus Berkheim und ihre Zwillingsschwester haben sich bunte Mäntel gehäkelt. Auf dem Kopf trugen die zwei Hütchen mit Nähspulen und Garnrollen. „Wir haben seit November dran gearbeitet“, sagt Spahr. Bei der Party in der Osterfeldhalle feierten die Gäste weiter.