Die Militärpräsenz der USA im Irak soll künftig anders aussehen als bisher. Wie genau, das ist noch unklar. (Archivbild) Foto: Khalid Mohammed/AP/dpa

Iraks Ministerpräsident steht unter zunehmendem Druck, den Abzug der US-Truppen aus seinem Land einzuleiten. Davon könnten vor allem die Terrormiliz IS profitieren. Jetzt folgt eine Art Mittelweg.

Washington/Bagdad - Die USA wollen ihre militärische Präsenz im Irak neu ausrichten. Hochrangige US-Regierungsbeamte kündigten einen zweistufigen "Übergang" an - weg von der bisherigen internationalen Militärkoalition in dem Land und hin zu einer bilateralen Sicherheitspartnerschaft. Eine ranghohe US-Regierungsvertreterin betonte in Washington: "Um es klar zu sagen: Die Vereinigten Staaten ziehen ihre Truppen nicht aus dem Irak ab." Die Amerikaner hielten sich mit Details allerdings extrem bedeckt und ließen damit viele Fragen offen. 

Die USA führen im Irak und Syrien eine internationale Koalition zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an, die "Operation Inherent Resolve". Der Einsatz begann, nachdem der IS im Jahr 2014 große Teile des Irak und des Nachbarlandes Syrien überrannt hatte. Mit Unterstützung des Anti-IS-Bündnisses, an dem sich auch die Bundeswehr beteiligt, konnten die irakischen Sicherheitskräfte die Extremisten nach und nach zurückdrängen. 2017 erklärte der Irak den militärischen Sieg über den IS, dessen Zellen im Land aber aktiv blieben und weiter Anschläge verübten. Seit 2021 bestand die Mission der Koalition überwiegend aus Ausbildungs- und Beratungsaufgaben. 

Erklärtes Ziel war es zuletzt, gemeinsam mit den irakischen Streitkräften, ein Wiedererstarken des IS verhindern. Beobachtern zufolge ging es den USA aber auch darum, den Einfluss ihres Erzfeindes Iran zu begrenzen. Demnach diente die Präsenz der US-Truppen im Irak auch dazu, die Versorgungslinien für den Iran etwa bei Waffenlieferungen zu unterbrechen und proiranische Milizen in der Region abzuschrecken. 

Eine Neuaufstellung mit vielen Fragezeichen

Bis Ende September 2025 sei eine erste Phase des Übergangs geplant, in der die Präsenz von Truppen der Militärkoalition an "bestimmten Standorten im Irak" beendet werden solle. Der Einsatz des Bündnisses in Syrien gehe jedoch weiter. "Die USA und Irak erkennen an, dass der IS in Syrien weiterhin eine erhebliche Bedrohung für die Region darstellt", sagte die ranghohe US-Regierungsvertreterin. Um eine Rückkehr der Terrorbedrohung durch den IS aus Nordostsyrien zu verhindern, hätten die USA und der Irak vereinbart, "dass die Koalition in der zweiten Phase des Übergangs bis mindestens September 2026 die Operationen zur Bekämpfung des IS in Syrien vom Irak aus weiter unterstützen kann".

Konkrete Details, was die Neuaufstellung für die Zahl der US-Soldaten und ihre Stationierung an bestimmten Orten im Irak bedeutet, nannten die amerikanischen Regierungsvertreter auch auf diverse Nachfragen nicht. Die Gespräche dazu gingen weiter, hieß es. Im Zuge des Übergangs könne es zu zahlenmäßigen Veränderungen kommen und auch zu einer Veränderung der Aufgaben der US-Soldaten, um den bilateralen Interessen besser gerecht zu werden, sagte die Beamtin und betonte erneut: "Wir ziehen nicht ab." 

Auch Bundeswehr will im Irak bleiben

Neben der Operation Inherent Resolve gibt es im Irak seit 2018 eine Nato-Mission, die der Ausbildung und Stärkung von Militär und Sicherheitskräften dient. Auch daran ist die Bundeswehr beteiligt. Verteidigungsminister Boris Pistorius warb im Bundestag um Zustimmung für die weitere Beteiligung der Bundeswehr am internationalen Militärengagement im Irak. Die Bedrohung durch IS-Terror sei nicht gebannt, mahnte er. Für die Bekämpfung der Gefahr sei der Irak ein Schlüsselland, ebenso für die Stabilität der immer volatiler werdenden Region. 

Die Bundesregierung will weiter bis zu 500 Männer und Frauen der Bundeswehr in das Land entsenden können. Das Mandat dafür soll bis zum 31. Januar 2026 laufen. "Nato Mission Irak soll auf Wunsch Iraks fortgeführt werden", sagte Pistorius. "Operation Inherent Resolve soll perspektivisch beendet werden."

Soldaten im Visier Iran-treuer Milizen

Derzeit sind laut US-Regierung etwa 2.500 amerikanische Soldaten im Irak stationiert. In Syrien waren es nach Angaben des Pentagon vom April rund 700. Bei den Einsatzorten handelte es sich um teils kleine Stützpunkte mitten in der Wüste. Mit dem Iran verbündete Milizen haben seit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr Hunderte Angriffe auf diese Standorte für sich beansprucht. Als wichtigster Verbündeter Israels wurden die USA für den Iran und seine Stellvertreter noch mehr zum Feindbild als zuvor. 

Rufe nach einem Abzug - und Warnungen davor 

Iraks Ministerpräsident Mohammed al-Sudani steht unter Druck von Iran-treuen Gruppen, politischen Parteien und Milizen, den Abzug der US-Truppen voranzutreiben. Es gebe "keine Rechtfertigung" mehr für die große US-Präsenz im Land, betonte er mehrmals. Die von den USA angeführte Militärkoalition gegen den IS sei nicht länger nötig. Die Gruppe sei besiegt und stelle keine wirkliche Herausforderung mehr dar. 

Beobachter gehen davon, dass die Terrororganisation zwar keine existenzielle Bedrohung mehr für den Irak darstellt. Die irakischen Sicherheitskräfte selbst verfügen aber nur über begrenzte Kapazitäten und haben etwa Schwierigkeiten bei der Koordination von Boden- und Lufteinsätzen. Besonders in kurdischen Gebieten wird ein Truppenabzug im Land skeptisch gesehen, auch wegen der aus dem Land agierenden und vom Iran unterstützen Milizen.

Experten warnen, ein Abzug der US-Truppen könnte ein Vakuum schaffen, das irakische Sicherheitskräfte nicht ausgleichen könnten. Dies berge die Gefahr, dass proiranische Gruppen, Überbleibsel des IS und andere Gruppierungen den Irak noch stärker als Operationsbasis für Angriffe gegen die USA und ihre Verbündeten, nicht zuletzt Israel, nutzen könnten. 

Die geteilte Stimmung dürfte mit ein Grund dafür sein, dass die Amerikaner sich bei den Details zu ihrer künftigen Aufstellung derart zurückhalten und vorerst eine Zwischenlösung verkünden: eine noch nicht näher definierte Veränderung, aber keinen Abzug.