Bundesaußenminister Heiko Maas Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Erstmals seit Beginn der Corona-Krise verlässt Außenminister Maas die EU - für einen besonders heiklen Besuch. In Israel geht es um Pläne der neuen Regierung, die den Nahost-Konflikt verschärfen könnten.

Berlin - Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) ist am Mittwoch nach Israel aufgebrochen, um mit der neuen Regierung dort vor allem über die geplante Annexion besetzter Palästinensergebiete zu sprechen. In Jerusalem und Tel Aviv wird der SPD-Politiker Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, den neuen Außenminister Gabi Aschkenasi und den neuen Verteidigungsminister Benny Gantz treffen.

Auf den sonst üblichen Besuch bei der palästinensischen Regierung in Ramallah verzichtet Maas unter Verweis auf die „erschwerten Bedingungen“ wegen der Corona-Pandemie. Es ist allerdings ein Gespräch per Video mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje von Jordanien aus geplant, der zweiten Station der Reise.

Nach Angaben Schtajes hat die israelische Regierung den Besuch in Ramallah nicht erlaubt. „Das ist kein gutes Zeichen“, sagte der Regierungschef am Dienstag. „Israel sollte ihm nicht seine politische Agenda diktieren.“

Die neue israelische Regierung ist am 17. Mai nach einer beispiellosen politischen Hängepartie mit drei Wahlen innerhalb eines Jahres vereidigt worden. Maas ist der erste hochrangige Regierungsvertreter aus dem Ausland, der die neue Regierung besucht. US-Außenminister Mike Pompeo war allerdings schon kurz vor der Vereidigung im Mai trotz Corona-Pandemie dort.

Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, betonte die Bedeutung des Besuches des deutschen Außenministers trotz der widrigen Umstände. „Er spiegelt die Tiefe und Bedeutung der deutsch-israelischen Beziehungen für beide Länder wider“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin sicher, dass dieser Dialog unsere bilateralen Beziehungen und unser Verständnis für die vor uns liegenden Herausforderungen weiter stärken wird.“

Die israelische Regierung will auf Grundlage von Trumps Nahost-Plan bis zu 30 Prozent des besetzten palästinensischen Westjordanlands annektieren. Die ersten Schritte können nach dem Koalitionsvertrag bereits am 1. Juli eingeleitet werden - genau an dem Tag, an dem Deutschland die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union und den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nimmt.

Die Bundesregierung hat damit eine wichtige Moderatorenrolle bei der Frage, ob die EU mit Sanktionen auf eine Annexion reagieren soll. Bei einer Videokonferenz der Außenminister im Mai gab es dazu unterschiedliche Meinungen. Die nächsten Beratungen auf dieser Ebene sind für kommenden Montag geplant.

Für Maas ist der Besuch eine schwierige Gratwanderung. Wegen des Holocaust haben Deutschland und Israel besondere Beziehungen zueinander. Die Sicherheit Israels zählt zur deutschen Staatsräson und es ist kaum vorstellbar, dass sich Deutschland aktiv für Strafmaßnahmen gegen Israel einsetzt. Andererseits hat die Bundesregierung die israelische Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten stets deutlich kritisiert und würde eine Annexion von Gebieten im Westjordanland als glatten Völkerrechtsbruch bewerten.

In Israel weiß man das. „Wir glauben, dass Deutschland nicht einmal im Fall einer Annexion einen palästinensischen Staat anerkennen würde, und auch Sanktionen gegen Israel nicht unterstützen wird“, sagte ein Regierungsvertreter vor dem Besuch von Maas.

Israels Oberstes Gericht kippte ein umstrittenes Siedler-Gesetz

Israel hat während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert und treibt dort seitdem Siedlungsprojekte voran. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat - mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Israel sieht in seiner Siedlungspolitik anders als die EU keinen Rechtsbruch.

Israels Oberstes Gericht kippte am Dienstag aber ein umstrittenes Siedler-Gesetz. Es beeinträchtige die Rechte der palästinensischen Bevölkerung und sei nicht verfassungsgemäß, teilte das Gericht mit. Das israelische Parlament hatte das Gesetz 2017 verabschiedet, es wurde aber kurz darauf auf Eis gelegt. Das Gesetz sah die rückwirkende Legalisierung von Tausenden Siedlerwohnungen im besetzten Westjordanland vor. Mehrere Länder, darunter Deutschland, hatten es damals verurteilt.

Für Maas ist es die erste Reise in ein Land außerhalb der Europäischen Union seit Beginn der Corona-Krise. Bisher war er nur in Europa unterwegs und besuchte Luxemburg und die Niederlande. In Israel gilt eigentlich noch ein Einreiseverbot für Ausländer.

Am Tag vor dem Ministerbesuch telefonierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit seinem israelischen Amtskollegen Reuven Rivlin. Zu genauen Inhalten wurde nichts bekannt. Rivlin twitterte lediglich, dass es neben einem wegen Corona ausgefallenen Besuch Steinmeiers in Israel auch um „Themen auf der regionalen Agenda“ ging.