Corona-Fall Nummer drei beim Nationalteam: Der Mindener Juri Knorr zeigt im Gegensatz zu Jogi Bitter und Marian Michalczik starke Symptome. Foto: imago/Laci Perenyi

Nach den nächsten Corona-Fällen bei der Nationalmannschaft in der Person von Juri Knorr und Finn Lemke wird die Kritik an den anstehenden Titelkämpfen in Ägypten immer lauter. Die Bundesliga befürchtet sogar einen vorübergehenden Lockdown.

Stuttgart - Jürgen Schweikardt blieb nach dem 25:36 (16:16) beim HC Erlangen auch mit einer Nacht Abstand recht gelassen. „Natürlich hat Jogi Bitter eine herausragende Bedeutung für uns. Was soll ich denn machen? Ich habe die Abstellung der Nationalspieler ja selbst mit beschlossen, also müssen wir uns damit nicht beschäftigen.“ Der Trainer und Geschäftsführer des Handball-Bundesligisten TVB Stuttgart machte den Ausfall des Nationalkeepers, der auch an diesem Samstag (20.30 Uhr/Porsche-Arena) gegen die TSV Hannover-Burgdorf fehlen wird, nicht zum Thema. Dabei war das klar verlorene Torwart-Duell ganz entscheidend für das Ende der 9:1-Punkte-Erfolgsserie.

Einschläge werden heftiger

Der Ausfall Bitters trifft Schweikardt und sein Team extrem hart. Und ohne die inzwischen irrsinnig anmutende Länderspielwoche, wäre dies zu verhindern gewesen. Zumal die Einschläge heftiger werden. Am Donnerstag kam die Nachricht, dass es nach Bitter und Marian Michalczik (Füchse Berlin) nun auch Juri Knorr (GWD Minden) und Finn Lemke (MT Melsungen) mit dem Coronavirus erwischt hat. „Juri zeigt starke Symptome, damit ist nicht zu spaßen“, berichtete GWD-Geschäftsführer Frank von Behren. Das komplette GWD-Team befindet sich in 14-tägiger Quarantäne.

Auch das Topspiel des kommenden Spieltages zwischen der MT Melsungen und dem SC Magdeburg, das am Samstag live in der ARD übertragen werden sollte, muss verlegt werden. Am Donnerstagabend bestätigte sich der Corona-Verdacht bei Nationalspieler Lemke. „Das ist eine bittere Nachricht für Finn, für unsere Mannschaft und für den gesamten Verein. Ganz obenan steht natürlich unser Wunsch, dass Finn die Infektion möglichst schnell und vor allem unbeschadet überwindet“, sagte MT-Vorstand Axel Geerken. Die gesamte Mannschaft hatte sich bereits zuvor vorsorglich in eine freiwillige häusliche Quarantäne begeben und muss dort nun für 14 Tage verharren. „Das schmerzt gleich dreifach, da uns nun auch noch bereits zugesagte Sponsoringbeträge entgehen und die sehr umfangreichen organisatorischen Vorbereitungsarbeiten umsonst gewesen sind“, sagte Geerken mit Blick auf die nötige Verlegung des Magdeburg-Spiels.

DHB kündigt Analyse an

Der Deutsche Handballbund (DHB) will nun eine tiefgreifende Analyse durchführen, „um für die Zukunft besser aufgestellt zu sein und die Sicherheit weiter zu erhöhen“, so Sportvorstand Axel Kromer. Kein Wunder, dass die Zweifel an der Austragung der WM im kommenden Januar immer mehr wachsen. Die Strömungen in der Liga nehmen vehement zu, die Titelkämpfe abzusagen. „Die Austragung des Turniers kann ich mir im Moment nur schwer vorstellen“, sagte von Behren. Auch Schweikardt wird in einem Interview mit dem Satz zitiert: „Für die Bundesliga wäre eine Absage das Allerbeste.“ Dazu steht der TVB-Chef zwar, er legt aber Wert auf den Zusatz „...wenn man die Bundesliga isoliert betrachtet“. Denn den Verbänden ginge durch die verpassten internationalen Wettbewerbe viel Geld flöten.

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Auch Frisch Auf Göppingen hat mit den Folgen des Länderspieltrips zu kämpfen. Die Nationalspieler Sebastian Heymann und Marcel Schiller befinden sich in Quarantäne und werden am Sonntag (16 Uhr/EWS-Arena) gegen die HSG Wetzlar fehlen. Dennoch wird die knifflige Lage differenziert betrachtet: „Das trifft uns hart, und es ist nur ein schwacher Trost, dass sich die Nachteile im Laufe einer Saison vermutlich ausgleichen werden, aber man muss auch das große Ganze sehen“, sagte Aufsichtsratschef Claus Mai. Wenn die Verbände Pleite gingen, habe der Handball insgesamt ein großes Problem.

Krisensitzung am Freitag

Doch zunächst stehen für die Liga die eigenen Probleme und vor allem die Gesundheit der Spieler im Vordergrund. Bei einer virtuellen Krisensitzung am Freitag soll darüber entschieden werden, wie es weitergeht. Die Absage des Wochenend-Spieltags steht ebenso im Raum wie ein vorübergehender Liga-Lockdown. „Wir stehen vor riesigen Herausforderungen und müssen die Lage mit dem neuen Kenntnisstand neu bewerten“, sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann zerknirscht.

Aus unserem Plus-Angebot: Kommentar – einer bleibt auf der Strecke

2007-Weltmeister Christian Schwarzer sprach Klartext: „Fakt ist: Jetzt haben die Vereine die Arschkarte gezogen und positiv getestete Spieler zurückbekommen.“ Das dürfte sich nach einer Mammut-EM in Ägypten mit 32 Mannschaften nach menschlichem Ermessen verschärfen. Zumal Weltverbandschef Hassan Moustafa laut einem „Sportschau“-Interview offenbar allen Ernstes hofft, in seinem Heimatland insgesamt eine Million Zuschauer in den Hallen begrüßen zu wollen...