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Von Tipps zur Kindererziehung – am Beispiel eines ungezogenen Hundes.

EsslingenJeder kennt sie: die furchtbar ungezogenen Kinder aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis. Die, die ihren Eltern gegenüber einen Ton anschlagen, bei dem alle Umstehenden peinlich berührt auf den Boden schauen. Die jedes mit Liebe gekochte Gericht mit Igitt-Rufen madig machen. Die jeden gemütlichen Restaurantbesuch zum nervenzehrenden Quengel-Konzert umwidmen. Die unglaublich kostspielige Forderungen an ihre Eltern und Verwandte stellen: Immer das neueste Smartphone, der 400-Euro-Kapuzenpulli sollen es sein oder der stuntfähige City-Roller, der nach Kurzem in der Ecke liegt. Die hyperaktiv sind – das heißt, auch in der Schule den Lehrern die Hölle heiß machen. Im Prinzip geht es also um so ziemlich alle Kinder. Und immer, da ist sich alle hinter vorgehaltener Hand einig, stehen die Schuldigen fest: Es sind die Eltern, die ihre Kinder nicht streng genug erziehen – oder zu streng.

Als außenstehender Nicht-Elter ist das Nervenkostüm bei Begegnungen mit besagten jungen Personen besonders schnell angekratzt und ebenso schnell hat man – natürlich hinter hervorgehaltener Hand – allerlei gute Erziehungsratschläge parat und schwört sich selbst, später mit der eigenen Brut alles ganz anders zu machen. Doch mit zunehmendem Kontakt mit den zu zähmenden Wesen nimmt das Vertrauen in die eigenen Erziehungsfähigkeiten dann doch ab. Etwa, wenn die Nichte beim Bastelnachmittag weder nach freundlicher Überredungskunst noch nach strenger Zurechtweisung etwas Gesundes zu sich nehmen möchte. Und man nach 15 Minuten Heultiraden dann doch süße Pfannkuchen backt. Das Mitleid mit den Eltern wächst.

In meiner Nachbarschaft konnte ich nun seit einigen Monaten einen wahrhaft pragmatischen Weg beobachten, wie Erziehungsberechtigte mit solchen Situationen umgehen können, den ich jedem Elter mit ungezogener Brut ans Herz legen möchte. Die Nachbarn – zugleich meine Eltern – versuchen gerade, ihre Hündin zu erziehen. Das Ergebnis nach zwei Jahren: Carla hüpft an jedem Jogger hoch, erlegt die Fell-Stuhlpolster, klaut den Nachbarn die Wurst vor der Grillparty. Und sie wurde kürzlich in der Hundeschule nach dem Anfängerkurs aus den Gruppen mit Abschlussprüfung verwiesen und in eine Klasse ohne Benotung gesteckt – Druck hat bei hyperaktiven Hunden wohl keinen Sinn. Ihre Herrchen – meine Nachbarn und Eltern – nehmen all das mit Humor: „Besser als ein langweiliger Hund“, finden sie, während sie Carla liebevoll streicheln. Mein Tipp also: einfach so tun, als sei es Absicht.