Saisonabschluss im Oktober 2021, ebenfalls in der Dornhaldenstraße: Klein im Bild Barbara Agliano-Kimmich (links), engagierte Anwohnerin, und Anthea Engelhardt vom Stadtteilprojekt KUGEL (Kulturen gemeinsam leben) bei ihrer Abschlussrede Foto: Wanderbaumallee Stuttgart (z)

Die Bäume ziehen wieder durch die Stadt: Die Kreuzung Dornhalden-/Schreiberstraße verwandelt sich zum Dornhaldenplatz. Im Schatten von Obstbäumen soll man da sitzen.

Wer den Dornhaldenplatz auf Google Maps sucht, wird nicht fündig. Das liegt daran, dass es ihn nicht gibt. Zumindest in Stuttgart noch nicht. Nach dem Willen der Anwohner der Nachbarschaft zwischen Marienhospital, Eiernest und Karl-Kloß-Straße soll es ihn aber bald geben und zwar an der Kreuzung Dornhalden-/Schreiberstraße. Dazu sammeln die Anwohner seit geraumer Zeit Unterschriften. Und um ihre Vision zu veranschaulichen, haben sie nun bereits zum zweiten Mal die Wanderbaumallee zu sich eingeladen. „Wir waren im September 2021 an diesem Ort und kehren nun auf Wunsch der Anwohnerschaft zurück“, sagt Annika Wixler, Mitinitiatorin der Wanderbaumallee Stuttgart.

Sitzmöbel und Bäume statt Autos

Die Wanderbaumallee ist ein Konzept, das mithilfe bepflanzter Sitzmöbel anstelle parkender Autos die Vision einer menschengerechten Stadt erfahrbar macht und zugleich Impulse für bürgerschaftliches Engagement setzt. Außerdem bieten die Installationen Nahrung und Schutz für Bienen, Insekten und Vögel. Das Projekt Wanderbaumallee Stuttgart ist eine ehrenamtliche Initiative unter dem Dach des Vereins Tilia. Die Realisierung erfolgt in Kooperation mit Stadtverwaltung und örtlichen Bezirksbeiräten. Ausgangspunkt ist stets eine Einladung aus der jeweiligen Anwohnerschaft.

Die Standzeit wird verlängert

Nun also kommen die Bäume wieder: Hängebirken, Maulbeer-, Mispel-, Quitten-, Birn- und Kirschbäume. Am Samstag, 4. Juni, fast pünktlich zum meteorologischen Sommeranfang, beginnt für die Wanderbäume eine neue Saison. Es ist die vierte. Annika Wixler berichtet: „Dieses Jahr verlängern wir die Standzeiten der Wanderbaumallee erstmalig auf zwei Monate Die Allee wird außerdem noch grüner: 2022 wandern zwölf und nicht wie bisher zehn Bäume durch Stuttgart. Zudem sind zusätzliche Beete an den Modulen angebracht.“ Neu ist auch, dass die Bäume vor Ort gemeinschaftlich in die Module eingepflanzt werden. Am Samstag, 4. Juni, von 10 bis 15 Uhr markiert die öffentliche Baumpflanzaktion die Eröffnung der Saison. Nach getaner Arbeit, zwischen 15 und 18 Uhr findet dann ein Nachbarschaftsfest statt. Die Kreuzung ist gesperrt.

Brüger sollen Stadtraum in Besitz nehmen

Selbstredend ist die Wanderbaumallee nicht nur gemütliche Sitzgelegenheit im Schatten kleiner Obstbäume, sondern auch ein Aufruf an die Bürgerschaft, Stadtraum in Besitz zu nehmen. „Uns sind keine Beschwerden vor Ort bekannt. Unsere Aktion ist ein Experiment, möchte Impulse setzen und zum persönlichen Austausch anregen“, sagt Annika Wixler. „Seitens der Anwohner gab es keine Ablehnung“, bestätigt Süd-Bezirksvorsteher Raiko Grieb. Wie Annika Wixler, so schätzt auch er das Angebot der Partizipation als solches. „Den Mehrwert sehe ich aber auch darin, dass die Gesellschaft gefordert ist, über die Nutzung öffentlichen Raums nachzudenken“, sagt Grieb.

„Wir freuen uns über das starke Engagement der Nachbarschaft“, sagt Annika Wixler. Das Kern-Team vor Ort besteht aus sechs Personen. Eine von ihnen ist Barbara Agliano-Kimmich. „Durch die Wanderbaumallee hat sich hier in der Straße sehr viel getan. Ich habe neue Nachbarn kennengelernt, und es ist ein tolles Gefühl, wenn man merkt, dass viele an einem Strang ziehen und die gleichen Wünsche haben“, sagt Barbara Agliano-Kimmich.

Die Verlängerung gab’s erst auf Nachfrage

Dennoch war es bis vor Kurzem fraglich, ob die Wanderbäume tatsächlich die zwei Monate bleiben dürfen. „Obwohl der Bezirksbeirat seine Empfehlung für den vollen Zeitraum ausgesprochen hatte, genehmigte das zuständige Amt für öffentliche Ordnung zunächst nur vier Wochen“, sagt Raiko Grieb. Das Amt berief sich auf eine Gemeinderatsdrucksache von 2019, der zufolge in Gegenden mit erhöhtem Parkdruck keine Parklets – dazu gehören auch die Wanderbäume – stehen dürfen. Dass Parkplatzknappheit besteht, bestreitet der Bezirksvorsteher nicht. „Viele Besucher des Marienhospitals parken im Viertel. Wir kompensieren das bestmöglich durch Parkraummanagement“, bekennt Grieb. Erst auf erneute Nachfrage des Bezirksvorstehers beim Amt kam schließlich die Genehmigung für die vollen zwei Monate. Das Amt rechtfertigte sein Einlenken mit dem experimentellen Charakter des Projekts. „Erst am 18. Mai kam die Zusage“, so Grieb. Der Weg wird nach Aussage des Bezirksvorstehers fortan der sein, dass das Amt einen Bezirksbeirat zunächst über etwaige Parkplatzknappheit informiert, umgekehrt dann aber die Empfehlung des Bezirksbeirats bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Immerhin ist damit eine zukunftsfähige Lösung gefunden.

Weitere Infos über das Projekt finden sich unter www.wanderbaumallee-stuttgart.de.