Er hält ihn endlich in seinen Händen: Lionel Messi mit dem WM-Pokal. Damit vergoldet er wie andere Fußballlegenden seine Karriere. Foto: imago//Dave Shopland

Lionel Messi hat sich mit dem Gewinn des WM-Titels auf eine Stufe mit den anderen Legenden des Fußballs gehoben. Doch übertrifft der Argentinier sie?

Zugegeben: Es hat am Sonntagabend eine Weile gedauert, bis die Frage, wer der neue Weltmeister sein würde, geklärt war. Aber: Wenn im Sport das Warten so spannend, so wechselhaft, so faszinierend, so dramatisch und so hochklassig begleitet wird – dann ist das locker und leicht zu verschmerzen. Nach 120 Minuten, viel an Nachspielzeiten und einem Elfmeterschießen stand dann also Argentinien erstmals nach 1986 wieder als Titelträger fest. Der Jubel kannte kaum Grenzen – die Bewunderung auch nicht.

Barack Obama nennt Messi GOAT

Lionel Messi heißt der Mann, dem gehuldigt wurde. Der selbst die Frage beantwortet hat, ob er seine großartige Karriere irgendwann ohne diesen wichtigsten Titel würde beenden müssen. Alles klar also bei dieser WM. Alles klar für Lionel Messi. Aber alles klar auch bei der Frage, die nicht erst seit dem Sonntagabend diskutiert wird? Jene nach dem besten Fußballer, den es je gab?

Für viele Fans des Fußballs ist auch auf diese Frage die Antwort am Sonntag in Katar gegeben worden. Zu ihnen gehört Barack Obama. Der frühere Präsident der USA sah via Twitter keine Zweifel mehr: „Gratulation an Argentinien und an den GOAT, Lionel Messi, für einen unglaublichen Weltmeisterschaftssieg.“ GOAT – diese Abkürzung steht im Englischen für „Greatest of all Time“, für den „Größten aller Zeiten“ und die „Größte aller Zeiten“.

Gary Lineker: Messi ein Geschenk der Fußballgötter

Wahrscheinlich wurde diese Bezeichnung am häufigsten in Zusammenhang mit dem Namen Muhammad Ali genannt. Im Boxen gibt es keine Zweifel, keine zwei oder mehr Meinungen. Auch im Basketball ist die Sache recht deutlich (Michael Jordan), ebenso im Eishockey (Wayne Gretzky). Und mancher, der sich im Fußball ähnliche Klarheit wünscht, blickt wohl neidisch auf die Historie dieser Sportarten.

Bei den Kickern ist die Lage unübersichtlicher – auch wenn Messi nun eigentlich alle Argumente beisammen hat. Viermal gewann er die Champions League mit dem FC Barcelona, einmal die Copa América mit Argentinien, nun den WM-Titel, siebenmal hat man ihm den Ballon d’Or als bestem Fußballer der Welt überreicht, Olympiasieger ist er auch (2008). Und er hat es geschafft, den hoch entwickelten und ungemein athletisch gewordenen Fußball über nahezu zwei Jahrzehnte zu prägen. „Ein Privileg“ sei es, sagte der frühere englische Stürmer Gary Lineker, das gesehen zu haben. Messi sei ein Geschenk der Fußballgötter.

Messi, Pelé, Maradona und Co. – wer ist der Größte aller Zeiten?

Doch das Talent ist nicht einseitig verteilt worden. Da ist zum Beispiel Pelé, der berühmte Brasilianer, der am Sonntag Messi gratulierte: „Messi hat seinen ersten WM-Titel gewonnen, wie es seine Laufbahn verdient.“ Ist er also überflügelt worden? Schwer zu sagen. Andere Zeit, anderer Fußball, andere Leistungsdichte. Aber Pelé war mindestens ebenso einzigartig wie heute Messi, dreimal wurde er Weltmeister. Die Fifa führt ihn als „Spieler des 20. Jahrhunderts“. Pelé sagte am Sonntag auch: „Sicherlich lächelt Diego jetzt.“

Womit der nächste potenzielle GOAT genannt wäre: Diego Maradona, wie Messi Argentinier, Weltmeister 1986 – und im Vereinsfußball nicht so hoch dekoriert wie sein Landsmann. Aber er steht für unvergessliche Momente, er erzielte das „Tor des Jahrhunderts“, und er hatte eine Ballbehandlung, die seinesgleichen suchte. Es gibt Menschen, die hätten schon fürs Warm-up des später skandalumwitterten Idols hohe Summen für eine Eintrittskarte gezahlt. Messi also, Pelé und Maradona. Und sonst? Der legendäre Alfredo di Stefano (Argentinien) führte einst das weiße Ballett Real Madrids an. Johan Cruyff, Vizeweltmeister 1974 mit den Niederlanden, veränderte in den 70er Jahren das Spiel. Franz Beckenbauer strahlte Eleganz aus, wie man sie bis dahin von einem Defensivspieler nicht kannte. Und dann ist da noch Cristiano Ronaldo.

Der Fußball wird neue Wunderkinder hervorbringen

Der Portugiese duellierte sich in den vergangenen Jahren um die Hoheit im Weltfußball mit Lionel Messi. Sie konkurrierten um den Ballon d’Or (Ronaldo bekam ihn sechsmal), um die Krone in der Königsklasse (der Portugiese gewann sie fünfmal), um Rekorde. Ronaldo krönte seine internationale Karriere 2016 mit dem EM-Titel. Die WM wird der egozentrische Modellathlet aber nicht mehr gewinnen. Ihn dennoch als GOAT zu nennen, ist aber alles andere als verwerflich. Und vielleicht führt man diese ganze Diskussion in ein paar Jahren noch einmal neu.

Der Fußball wird neue Wunderkinder hervorbringen. Eines davon verpasste am Sonntag seinen zweiten WM-Triumph nur hauchdünn: Kylian Mbappé. Der Franzose wurde mit 19 Weltmeister, in Katar Torschützenkönig, steht aktuell bei zwölf WM-Treffern – und hat noch einiges vor. Lionel Messi dagegen wird in den nächsten Jahren abtreten. Er hat dem Spiel viel geschenkt – und „gegen Ende meiner Karriere wurde mir fast alles gegeben“, sagte er am Sonntag.

Sie trugen ihn auf Händen wie einst Maradona 1986. Wie einst Pelé. Wie man es eben macht mit den Größten.