Zum Dank verpflichtet: Nico Schlotterbeck mit Keeper Kevin Trapp. Foto: Imago/Michael Weber

Nico Schlotterbeck überzeugt in der DFB-Elf – und patzt dann kurz vor dem Spielende. Bundestrainer Hansi Flick lobt und tadelt den Abwehrmann.

Das erste Feedback des Bundestrainers Hansi Flick gab es kurz nach dem Schlusspfiff am Spielfeldrand. Nico Schlotterbeck wusste, dass es kein positives sein würde. Nicht nach diesem Patzer kurz vor Schluss, mit dem sich der Waiblinger am Samstag um einen perfekten Einstand im Test der DFB-Elf gegen Israel (2:0) gebracht hatte. Denn bis zu dieser vermaledeiten Szene war Schlotterbeck in Sinsheim der beste deutsche Akteur gewesen.

Der Innenverteidiger nutzte seine Chance. Er spielte tolle, hohe Diagonalbälle und flache Steilpässe mit seinem linken Fuß aus der Abwehr heraus, immer stand Schlotterbeck richtig. Obendrein agierte der 22-Jährige so zupackend wie im Ligaalltag beim SC Freiburg. Da empfahl sich also einer für höhere Aufgaben mit Blick auf die WM in Katar.

Und dann kam das.

Flick: „Das sind Dinge, die können bei einer WM tödlich sein“

In der dritten Minute der Nachspielzeit passierte das Missgeschick des Abends: Schlotterbeck ließ sich – zunächst noch unbedrängt – im eigenen Strafraum zu viel Zeit beim Abspiel. Yonatan Cohen pirschte sich heran und spitzelte den Ball weg. Schlotterbeck traf dann nur noch den Fuß des Israelis und verursachte so einen Strafstoß, den Keeper Kevin Trapp parierte.

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Wenig später schnappte sich Flick seinen Debütanten zur ersten Manöverkritik. „Nico und ich haben über die Situation gesprochen“, sagte der Bundestrainer später über die Fehleranalyse der Elfmeterszene. Der Coach wurde deutlich: „Das sind Dinge, die können bei einer WM tödlich sein“, sagte Flick, „auf diesem Niveau muss man 90 Minuten voll konzentriert sein und darf keine Fehler machen.“ Das schärfte er Schlotterbeck ein und traf wenig überraschend auf große Einsicht. „Nico hat das so gesehen wie wir, das ist ein guter Schritt“, sagte der Bundestrainer.

Schlotterbeck: „Arroganzanfall würde ich nicht sagen“

Deftige Worte hatte vorher Per Mertesacker als TV-Experte gefunden. „So viel Zeit hat man nicht in Länderspielen“, sagte der Weltmeister von 2014 streng in Richtung Schlotterbeck – und lieferte dann die so kurze wie deftige Standpauke des Abends: „Das war ein kleiner Arroganzanfall.“

Schlotterbeck wollte das so nicht stehen lassen. „Arroganzanfall würde ich nicht sagen“, betonte er, „das war einfach schlecht, eine Unkonzentriertheit, das darf mir nicht passieren.“ Sein Dank galt Trapp, der den Strafstoß parierte, „so ist es für mich glimpflich ausgegangen“. Zweimal umarmte Schlotterbeck den Torhüter: direkt nach dem Elfmeter und wenig später nach dem Schlusspfiff, nach dem bei allen Beteiligten am Ende doch die Freude über Schlotterbecks starkes Debüt überwog.

Schlotterbeck misst sich mit Rüdiger und Süle

Bis zu seinem Lapsus „hat er es sehr, sehr gut gemacht“, sagte Flick: „Nico war sehr präsent und aktiv, er hat mit viel Vertrauen im Ballbesitz agiert – die letzte Aktion war ihm dann hoffentlich eine Lehre, er kann aber sehr zufrieden sein mit seinem Debüt.“

Mit seinem starken Auftritt von Sinsheim hat sich der frühere Jugendspieler der Stuttgarter Kickers endgültig zu einer Alternative mit Blick auf die WM im Winter aufgedrängt. Stand jetzt sind Antonio Rüdiger und Niklas Süle in der Abwehrzentrale gesetzt – wenn Schlotterbeck sich weiter so rasant entwickelt, wird er sich aber zumindest vor Rüdiger nicht verstecken müssen. Schon jetzt ist sein Spielaufbau stärker. Was ihm noch fehlt im Vergleich zum Profi des FC Chelsea sind die internationale Erfahrung und der Beweis, die Form über Monate hinweg auf hohem Niveau halten zu können.

Der Mönchengladbacher Matthias Ginter, der Leverkusener Jonathan Tah und auch Thilo Kehrer von Paris Saint-Germain wiederum wissen spätestens seit Samstagabend, dass sie sich mächtig werden strecken müssen, um im Konkurrenzkampf gegen Schlotterbeck bestehen zu können.