Oft ist der Rettungswagen vor dem Notarzt am Einsatzort. Künftig soll die Besatzung mehr Hilfe leisten dürfen als bisher. Foto: picture alliance / dpa/Arno Burgi

Seit 2014 gibt es die neue Ausbildung zum Notfallsanitäter. Die Retter haben seither medizinisch bessere Kenntnisse. Einsetzen dürfen sie ihr Wissen bislang allerdings nicht. Das soll sich jetzt ändern.

Stuttgart/Berlin - Ein Retter, der dem Patienten helfen könnte, aber nicht darf, weil er kein Arzt ist? Klingt absurd, ist in Deutschland aber so. Zumindest bisher. Seit 2014 gibt es das Berufsbild des Notfallsanitäters. Es ersetzt den bisherigen Rettungsassistenten. Ziel war, das Personal auf den Rettungswagen besser zu schulen. Zum Wohle der Patienten, aber auch der Notärzte, die damit entlastet werden könnten. Die Ausbildung hat sich von zwei auf drei Jahre verlängert, medizinische Inhalte nehmen mehr Platz ein als zuvor, beispielsweise invasive Maßnahmen oder die Gabe von Notfallmedikamenten. Die Retter, die die Ausbildung neu absolviert oder sie auf ihre bisherige Qualifikation obenauf gesetzt haben, verfügen über bessere Fähigkeiten als je zuvor.

Dumm nur, dass sie ihr Wissen im Notfall eigentlich nicht anwenden dürfen. Denn heilkundliche Tätigkeiten sind aufgrund des Heilpraktikergesetzes von vornherein nur Ärzten erlaubt. Das bringt die Retter jeden Tag aufs Neue in die Zwickmühle: Geben sie etwa einem Patienten mit starken Schmerzen trotzdem eigenverantwortlich Medikamente, verstoßen sie gegen das Gesetz.

Andererseits können sie sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen, wenn sie in einer Notsituation nicht eingreifen. Ein Zustand, der die Arbeit am Patienten zur Gratwanderung macht und die Ziele der Ausbildungsreform ad absurdum führt.

Die Politik hat sich lange schwergetan, Rettungsorganisationen und Ärzteverbände haben teils unterschiedliche Standpunkte eingenommen. Dabei schwingt auch immer die Befürchtung mit, die Notfallsanitäter könnten sich irgendwann für Ärzte halten. Jetzt jedoch hat der Bundestag Ende vergangener Woche Klarheit geschaffen: mit einer Anpassung des Notfallsanitätergesetzes. Demnach ist es Notfallsanitätern künftig im Einsatz bis zum Eintreffen eines Arztes erlaubt, eigenverantwortlich heilkundliche Maßnahmen zu ergreifen, und zwar dann, wenn sie diese in der Ausbildung erlernt haben und sie erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden für den Patienten abzuwenden.

Aufatmen bei den Rettern

Jetzt muss noch der Bundesrat der Regelung zustimmen – und die Länder müssen sie in der Folge möglichst einheitlich umsetzen. Das mahnen auch die Beteiligten in der Notfallrettung an. „Der Bund hat jetzt Sorge für bundeseinheitliche Vorgaben in den Ländern, Städten und Landkreisen zu tragen, damit Notfallpatientinnen und -patienten eine einheitliche Versorgung erhalten – egal, in welchem Bundesland. Ich appelliere an die Länder, das Gesetz nicht zu verwässern, sondern ihm im Bundesrat zuzustimmen und es danach entsprechend zügig und einheitlich umzusetzen“, sagt etwa Pierre-Enric Steiger, Präsident der Björn-Steiger-Stiftung in Winnenden (Rems-Murr-Kreis). Die Neuregelung sei ein wegweisender Schritt: „Wir sind nun in Deutschland endlich auf dem zielführenden Weg, dass das neue Berufsbild im Rettungsdienst sich auch entfalten kann“, so Steiger.

Auch beim Deutschen Roten Kreuz ist man erleichtert. „Ein guter Tag für den Rettungsdienst und für die Patienten“, sagt Barbara Bosch, Präsidentin des DRK-Landesverbands Baden-Württemberg, „endlich ist eine seit Jahren von uns eingeforderte Regelung erreicht worden.“ Jetzt wird sie sich im Rettungsalltag bewähren müssen.