Zuletzt sorgte ein AfD-Sticker, der an den Eingang einer Hochdorfer Autowerkstatt geklebt wurde, für Aufregung: „Nett hier. Aber sind Sie nicht ausreisepflichtig?“, wurde darauf gefragt. Der Pfarrer Ralf Vogel aus Esslingen hat einen Gegensticker für mehr Toleranz produziert.
„Nur weil der Begriff Heimat von manchen missbraucht wird, kann es nicht sein, dass wir nicht mehr darüber reden dürfen“, sagt Pfarrer Ralf Vogel. Er lebt in Esslingen und organisiert im Auftrag der Evangelischen Landeskirche seit 25 Jahren die sogenannten Nachtschicht-Gottesdienste, die vor allem in Stuttgart-Obertürkheim in der Andreaskirche gefeiert werden und die jedes Jahr ein bestimmtes Thema aufgreifen. Im Zentrum steht dabei das Gespräch zwischen Vogel und einem Gast, der durch sein Leben einen besonderen Zugang zum jeweiligen Thema gefunden hat. Im Jubiläumsjahr haben er und sein Nachtschicht-Team für die Gottesdienstreihe das Thema Heimat aufgegriffen. Um für die sechs Gottesdienste in diesem Jahr zu werben, hat die Werbeagentur thJnk aus Berlin und Hamburg unter anderem einen Aufkleber entworfen mit der Aufschrift: „Net hier. Heimatliebe ja. Nationalismus nein.“
Viele Prominente waren schon zu Gast
Für Ralf Vogel setzt der Sticker einen „wohltuenden Gegenakzent“ zu „solchen fremdenfeindlichen Aktionen“, wie kürzlich in Hochdorf. Dort hatte ein Unbekannter an einer Autowerkstatt, wo überwiegend in Deutschland geborene Menschen mit migrantischen Wurzeln arbeiten, in Anlehnung an die Werbekampagne „The Länd“ der baden-württembergischen Landesregierung, einen Sticker der AfD Landtagsfraktion angebracht mit der Aufschrift „Nett hier. Aber sind Sie nicht ausreisepflichtig?“ Im Gegensatz dazu schließt der Heimatbegriff des Nachtschicht-Teams um Pfarrer Ralf Vogel „alle Menschen ein, die hier ihre Heimat haben, egal woher sie kommen“.
Dass die Gottesdienstreihe, wo schon viele Prominente wie beispielsweise die Fernsehjournalisten Ingo Zamperoni und Dunja Hayali oder auch der frühere Bundespräsident Joachim Gauck oder die Schauspieler Walter Sittler und Mariele Millowitsch zu Gast waren, das Thema Heimat aufgreift, war für Vogel „überfällig“. „Man hat das Gefühl, dass heute viele Menschen entwurzelt sind und dass ihnen viele Veränderungen zu schnell gehen“, sagt er.
Mit den diesjährigen Nachschicht-Gottesdiensten will Vogel einerseits den Menschen zeigen, wo Kirche heute für sie Heimat sein kann, und andererseits ein Zeichen gegen den weltweit grassierenden Nationalismus setzen und diesem einen modernen Heimatbegriff gegenüberstellen. „Heimat ist kein Privileg, sondern Patchwork“, sagt er. In der heutigen Zeit sei es vor allem wichtig, einen weltoffenen und liebevollen Heimatbegriff zu haben.
Den nächsten Nachtschicht-Gottesdienst gibt es am Sonntag, 16. März, ab 19 Uhr in der Andreaskirche in Stuttgart-Obertürkheim. Dort ist auch der Aufkleber „Heimatliebe ja. Nationalismus nein.“ zu haben – oder man kann ihn über die Homepage www.nachtschicht-online.de bestellen. Zu Gast ist an diesem Abend – alles dreht sich um die „Heimatliche Küche“ – die Theologin und Fernsehköchin Caroline Autenrieth. Sie wird ihrem Publikum unter anderem erläutern, welche Bedeutung heimische Küche hat, vor allem für Menschen, die nicht in ihrer ursprünglichen Heimat leben.