Bei der Flut in der Nacht zum 3. Juni wurde das Atelier 4 in Haubersbronn massiv beschädigt, ein Großteil der Kunstwerke zerstört. Eine Zwischenbilanz nach sechs Wochen.
An einigen Stellen ist die Marke an den Wänden oder Fensterscheiben noch als dreckiger Strich zu sehen: Auf 1,70 Meter Höhe sind am 3. Juni die Wassermassen durch das Atelier der Künstler Gez Zirkelbach und Andreas Heinrich Adler im Schorndorfer Teilort Haubersbronn getobt. Sie haben Fensterscheiben bersten lassen, auch die Tische und Schränke weggespült, Bilder, Leinwände und praktisch sämtliche Arbeitsmaterialien zerstört, mit dem die Künstler ihre Werke kreieren. Ein Bild der Verwüstung. „Hier war alles ein See“, sagt Heinrich Adler. „Eine Wahnsinnsgewalt“, ergänzt Gez Zirkelbach. „Da waren Zeichenschränke dabei, die kann keiner lupfen.“
Kein Durchkommen zum Atelier
Beide waren – zum Glück – in der Unglücksnacht nicht im Haubersbronner Atelier. Bei ihm sei an jenem Katastrophentag der erste Anruf um 7 Uhr eingegangen, erzählt Gez Zirkelbach, in ganz Haubersbronn sei der Strom weg, irgendwas stimme da nicht. Von den Fluten zunächst keine Rede. Heinrich Adler ist gegen 10 Uhr noch völlig ahnungslos an seiner künstlerischen Wirkungsstätte angekommen. „Da war alles abgesperrt, wir konnten gar nicht rein.“ Als sie dann wieder zum Atelier durchkamen, mussten sie sich zunächst von Helfern die Außentür aufstemmen lassen, „da war alles blockiert“ und dann habe er zunächst Gummistiefel besorgt, sagt Adler, denn drinnen sei man fast knöcheltief im Schlamm gewatet.
Eigentlich hatten die beiden langjährigen Werkstattpartner für das Wochenende nach der Flut ein Doppeljubiläum samt Tagen der offenen Tür für ihr Gemeinschaftsatelier angekündigt. Zehn Jahre Atelier 4 in Haubersbronn und 38 Jahre Atelier 4 in Schorndorf. Daran war nach der Flut nicht mehr zu denken. Sechs Wochen später rechnet Gez Zirkelbach mit mindestens 80 Prozent zerstörter Werken bei den Papierarbeiten. Bei den Werken auf Leinwand sieht die Zwischenbilanz etwas besser aus: Acryl, Öl oder Lack auf Leinwand, das sei um einiges resistenter gegen Wasser. Klar sei aber auch da, man müsse alles anschauen, denn die Farben seien auf jeden Fall verändert.
Arbeitsmaterialien unbrauchbar
„Ich arbeite mit Chemikalien“, sagt Heinrich, „und die reagieren mit drauf gepresstem Wasser.“ Auch hier wird jede Arbeit drauf kontrolliert, ob sie restauriert werden oder möglicherweise umgearbeitet werden kann – bei vielen seiner unter Wasser gesetzten Werke habe er aber „den Eindruck, dass ich sie wegschmeißen kann“.
Werke der beiden lagern inzwischen in verschiedenen Hallen in Schorndorf, Weinstadt und Winnenden. Das Problem: Zur Trocknung und Schimmelvermeidung müssen die Bilder extrem locker gestellt werden, mit Raum dazwischen. Der Platzbedarf ist enorm. Sie selbst hätten da ganz neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie viele Arbeiten sich im Atelier angesammelt hatten. Einige besonders nass gewordene Werke liegen inzwischen in Gefriertruhen, um weitere Schäden etwa durch Schimmel zu vermeiden. Sie werden später nach dem Auftauen gewaschen und dann einer genauen Prüfung auf Restaurierbarkeit unterzogen.
Nach Schätzungen sind jetzt nach sechs Wochen zwischen 600 und 800 Leinwände, viele davon Großformate, zum Trocknen zwischengelagert. Konservativ gerechnet, sagt Heinrich Adler, belaufe sich der Verkaufswert der zerstörten oder beschädigten Kunstwerke auf einen Betrag zwischen einer Dreiviertelmillion und einer Million Euro. Versichert ist davon nichts. „Die Beträge dafür“, sagt Gez Zirkelbach, „die wären für uns unbezahlbar gewesen.“
Die Bautrockner laufen noch
„Ich bleibe auf jeden Fall hier“, sagt Heinrich beim Gespräch am Tisch vor dem Eingang des Ateliers, in dem nach wie vor die Bautrockner laufen und der Kampf gegen den Schimmel erst noch aufgenommen werden muss. „Ich kann gar nicht anders als weiter machen, ich mach’ halt das Beste draus.“ Immerhin: Der Fensterbauer ist mit der Erneuerung der Glasflächen beauftragt. Wenigstens der Vermieter ist versichert. Die Perspektive: Drei, vier Monate wird es bestimmt noch dauern, bis normales Arbeiten in der Künstlerwerkstatt wieder möglich sein wird. Bis dahin geht es – soweit möglich – um Restaurierung und vielleicht um den Verkauf des einen oder anderen künstlerisch aufgearbeiteten Flutbildes. Einige Interessenten haben schon angerufen und bestellt, aber für eine Verkaufsveranstaltung fehlt natürlich momentan auch der Raum.
Gez Zirkelbach ist sich noch nicht so ganz sicher, ob es für ihn hier weitergeht. „Ich muss erst wieder Zutrauen bekommen in den Raum.“ Für ihn war das Ganze ein „Naturangriff“, quasi ein Trauma, das er nicht wieder erleben will. „Ich will nicht noch einmal einen Zeichenschrank aufmachen müssen, in dem alles voller Schlamm ist.“ Er hat zusätzlich zum Dasein als Künstler eine feste Anstellung am Institut für Soziale Berufe St. Loreto in Schwäbisch Gmünd. Aber klar sei eben auch: „Ich bin jetzt 67 und muss meine Rente noch etwas verbessern.“
Beeindruckende Hilfsbereitschaft
Einig sind sich die beiden Kunstschaffenden darin, dass sie ohne die Hilfsbereitschaft der Menschen, die spontan am Ort der Verwüstungen mit angepackt haben, keine Chance gehabt hätten, der Schutt- und Schlammmassen Herr zu werden. 15 bis 20 Leute seien da teils zehn Tage lang mit dabei gewesen, hätten teils sogar noch die Verpflegung des Aufräumtrupps mit übernommen. „Da habe ich schon etwas auf mein bisheriges Weltbild blicken müssen“, ist Heinrich Adler nach wie vor von den freiwilligen Helfern schwer beeindruckt.
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