Trotz verschiedener Krisen erwarten Experten keine Insolvenzwelle. Foto: dpa/Swen Pförtner

Die rasant steigenden Energiepreise belasten die Unternehmen und dürften für so manche Schieflage mitverantwortlich sein. Aber was hat das mit dem Insolvenzgeschehen zu tun?

Die explodierenden Strom- und Gaspreise sind eine enorme finanzielle Belastung für Unternehmen. Steigt damit auch die Gefahr, dass Firmen Insolvenz anmelden? Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck rechnet nicht damit. Er könne sich aber vorstellen, dass „bestimmte Branchen einfach einmal aufhören zu produzieren“, sagte der Grünen-Politiker in einer Talkshow – und zog damit viel Kritik auf sich. Aber wann ist ein Unternehmen insolvent? Wir erklären die Lage.

Wann muss ein Unternehmen Insolvenz anmelden?

Klar ist, dass eine Firma, die Insolvenz anmeldet, wirtschaftliche Probleme hat. Gründe dafür sind Zahlungsunfähigkeit – salopp formuliert kann das Unternehmen seine Rechnungen nicht mehr zahlen –, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Letztere tritt ein, wenn das Vermögen nicht ausreicht, um den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Die Schieflage kann interne oder externe Gründe haben. Ein interner Grund liegt etwa vor, wenn Aufträge nicht kostendeckend kalkuliert sind. Ein externer Grund sind steigende Energiekosten, die nicht an Kunden weitergegeben werden können.

Wo meldet man Insolvenz an?

Zuständig für die Insolvenzanmeldung ist das Amtsgericht am Sitz des Unternehmens. Der Antrag muss unter anderem den Insolvenzgrund sowie eine Vermögensübersicht enthalten. Das Gericht prüft die Angaben. Mindestvoraussetzung für das Verfahren: Es muss so viel Kapital und Vermögen vorhanden sein, dass das Unternehmen die Kosten des Verfahrens selbst begleichen kann. Das Amtsgericht bestellt im Regelfall zunächst einen vorläufigen Insolvenzverwalter, der die Verantwortung für das Unternehmen übernimmt. Er muss den wirtschaftlichen Zustand des Unternehmens erfassen und daraus die Überlebenschancen des Unternehmens ableiten. Nicht alle insolvente Unternehmen verschwinden vom Markt, viele werden von Dritten übernommen. Zudem muss der vorläufige Insolvenzverwalter die Gläubiger vor Nachteilen schützen sowie eine Lösung für ihre Forderungen finden.

Was ist Insolvenz in Eigenverantwortung?

Diese Möglichkeit besteht für Unternehmen mit guten Sanierungschancen, Experten sprechen vom Schutzschirmverfahren. Dabei bestellt das zuständige Amtsgericht statt des vorläufigen Insolvenzverwalters einen Sachverwalter, der den weiteren Prozess lediglich kontrolliert und beaufsichtigt. Die alte Firmenleitung behält die Verfügungsgewalt.

Wann liegt Insolvenzverschleppung vor?

Beim Insolvenzantrag gibt es Fristen zu beachten, ansonsten droht eine Insolvenzverschleppung. Das Gesetz sieht vor, dass Verantwortliche spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder spätestens sechs Wochen nach Überschuldung beim Amtsgericht vorstellig werden. Insolvenzverschleppung kann mit einer Geld- oder auch einer mehrjährigen Freiheitsstrafe geahndet werden.

Wie viele Insolvenzen gibt es derzeit?

Trotz diverser Krisen erwarten Experten keine Insolvenzwelle. Im ersten Halbjahr haben in Deutschland rund 7300 Unternehmen Insolvenz angemeldet, hat Creditreform ausgerechnet. Das waren sogar etwas weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im August hat das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) 718 Pleiten gezählt (plus 26 Prozent). Auch in den nächsten Monaten erwarten die Forscher eine Zunahme des Insolvenzgeschehens. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Insolvenzantragspflicht coronabedingt zeitweise ausgesetzt war. Seit Mai 2021 gelten wieder die ursprünglichen Regeln.