Julian Pollersbeck ist eine sinnvolle Verstärkung. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Wolfgang Stephan

Hamburg - Die Zielsetzung beim Hamburger SV nach der x-ten Zittersaison lautet eindeutig: Nicht zittern müssen. Höhere Ansprüche gibt es im Gegensatz zur Vergangenheiterst einmal nicht.

Haben die Hamburger die richtigen Lehren nach dem Desaster der vergangenen Saison gezogen?

In Ansätzen ja. Die wichtigste Erkenntnis war die realistische Einschätzung der eigenen Stärke - oder der eigenen Schwäche. Während in der Vor-Saison die Verantwortlichen des HSV, aber auch die Hamburger Medien, von einem Tabellenplatz im oberen Drittel der Liga träumten, hat Vorstandschef Heribert Bruchhagen die Messlatte bereits weit nach unten verschoben. Er rechnet auch in der neuen Saison eher mit Abstiegskampf. Denn: Auch Bruchhagen ist die angekündigte und notwendige Grundsanierung bisher nicht gelungen. Die überbezahlten Pierre-Michel Lasogga, Lewis Holtby und Aaron Hunt stehen immer noch auf der HSV-Lohnliste, weil sie zu viel verdienen und die finanzielle Wohlfühloase am Volkspark nicht verlassen wollen.

Warum gelingt es dem HSV nicht, junge Spieler aus seinem mittlerweile mit viel finanziellem Aufwand ausgestatteten Leistungszentrum in die Bundesliga zu bringen?

Mit Ausnahme von Gideon Jung hat in den vergangenen Jahren tatsächlich kein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs nachhaltig den Sprung in die Bundesliga geschafft. Immerhin haben in Vasilije Janjicic, Bakery Jatta und Finn Porath drei Nachwuchsspieler bereits Bundesligaluft geschnuppert. Das Problem aller HSV-Trainer der vergangenen Jahre war der permanente Abstiegskampf, der seit drei Jahren wenig Spielraum für die behutsame Integration junger Talente ließ. Alle Trainer setzten deshalb notgedrungen auf die erfahrenen Kräfte. Markus Gisdol hat allerdings mehrfach angedeutet, dass er in dieser Saison einige Überraschungen parat hat. Das sind die Namen, die es zu notieren gilt: Jonas Behounek, Mats Köhlert und Fiete Arp.

Lässt sich der Abgang von René Adler kompensieren und wer wird sein Nachfolger als Nummer eins im Kasten?

Der ehemalige Nationaltorhüter war schon lange nur noch der ehemalige Nationaltorhüter. Letztlich Bundesliga-Durchschnitt, insofern ist sein Weggang sportlich kein großes Problem. Ob allerdings Christian Mathenia sein dauerhafter Nachfolger wird, ist zu bezweifeln, denn in Julian Pollersbeck hat der HSV ein Juwel verpflichtet. Dem U2-1-Europameister gehört eindeutig die Zukunft.

Hat der HSV gut eingekauft und wo sind noch Probleme?

Dass Kyriakos Papadopoulos verpflichtet und der Vertrag mit Bobby Wood verlängert wurde, waren zwei wichtige Bausteine für den Erfolg in der neuen Saison. In Nicolai Müller, Filip Kostic und jetzt auch noch André Hahn verfügt der HSV über eine erfolgsversprechende Offensive - allerdings nur, wenn die Stabilität in der Abwehr Einkehr hält. Viel wird davon abhängen, wie sich die beiden Brasilianer Walace als Sechser und Douglas Santos auf der Außenbahn entwickeln. Beide Außenverteidigerpositionen sind mit dem vorhandenen Personal (Dennis Diekmeier, Gotoku Sakai und Santos) eher mittelmäßig besetzt. Dabei hatte Bruchhagen nach der Zittersaison die Verpflichtung eines Außenverteidigers mit der höchsten Priorität belegt. Auch ein guter Sechser und ein Innenverteidiger mit gutem Spielaufbau sind mehr als nur ein Wunschkonzert.

Wird Gisdol an der HSV-Weihnachtsfeier in diesem Jahr teilnehmen?

Blöde Frage. Berechtigte Frage, denn gemessen an der jüngeren Vergangenheit wäre ein eindeutiges „Nein“ folgerichtig, denn kein HSV-Trainer seit Thorsten Fink hat zweimal hintereinander eine Weihnachtsfeier mit der Mannschaft erlebt. Dabei spricht im Moment nichts gegen Gisdol. Aber das war auch bei Bruno Labbadia vor der vergangenen Saison nicht anders.

Zu- und Abgänge:

Zugänge: Julian Pollersbeck (1. FC Kaiserslautern, 3,5 Millionen Euro), Kyriakos Papadopoulos (Bayer Leverkusen, 6,5 Millionen Euro), André Hahn (Borussia Mönchengladbach, 6 Millionen Euro), Bjarne Thoelke (Karlsruher SC, ablösefrei).

Abgänge: Matthias Ostrzolek (Hannover 96, ablösefrei), Michael Gregoritsch (FC Augsburg, 5,5 Millionen Euro), Johan Djourou (vereinslos), René Adler (FSV Mainz 05, ablösefrei), Nabil Bahoui (Grasshopper Club Zürich, 400 000 Euro Abfindung).