In der Kritik: Die Corona-Demo in Stuttgart Foto: AFP/CHRISTOPH SCHMIDT

Die einen dürfen, die anderen nicht. Während sich in Stuttgart die Wogen nach dem „Querdenken“-Protest noch nicht geglättet haben, wird das Demonstrieren gegen die Corona-Auflagen in anderen Städten auch mal untersagt.

Stuttgart - Im Streit um Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen reagieren Kommunen und Ordnungsbehörden durchaus unterschiedlich. Während sich Stuttgarts Rathaus seit Tagen gegen den Vorwurf wehren muss, einen ausgeuferten Protest der „Querdenker“ am Samstag nicht von vorneherein verboten zu haben, ist genau dies in Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) passiert. Dort wurde ein deutlich kleinerer Protest der Bewegung mit Verweis auf die hohen Infektionszahlen am Dienstag untersagt. Die Demonstrationen finden regelmäßig dienstags in Schwäbisch Gmünd statt.

Demo-Teilnehmer hielten sich nicht an Corona-Regeln

„Das war eine spezielle Einzelfallentscheidung, die wir vor allem wegen der schlechten Erfahrungen mit dem Veranstalter untersagt haben“, betonte Stadtsprecher Markus Herrmann am Mittwoch. Die Teilnehmer hielten sich nicht an Corona-Regeln - wie Abstand und Maskenpflicht -, deshalb sei das Infektionspotenzial nicht überschaubar gewesen. „Wir konnten in der Abwägung eine solche Veranstaltung nicht zulassen. Wir sind da als Stadt auch in der Pflicht, eine solche Entscheidung zu treffen“, sagte Hermann.

In Stuttgart hatten sich am Karsamstag rund 15 000 Menschen größtenteils ohne Masken und Mindestabstand versammelt und die Stadt in große Erklärungsnot gebracht. Mehr als 1000 Polizisten waren am Samstag zusammen mit Einheiten aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei im Einsatz gewesen. Sie schritten wegen der Verstöße gegen die Corona-Regeln aber kaum ein.

Frank Nopper verteidigte die Erlaubnis zur Demonstration

Stuttgarts Stadtoberhaupt Frank Nopper verteidigte die Erlaubnis der Stadt zur Demonstration. „Es gab vor der Versammlung auf der Grundlage der Anmeldungen überhaupt keinen rechtlich begründbaren Ansatz, ein Versammlungsverbot auszusprechen.“ Die Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut. Darüber könne man sich nicht einfach hinwegsetzen. Die Demo-Anmelder hätten zugesagt, dass sie die Coronabeschränkungen einhalten würden. Anmelder Michael Ballweg habe dies bei früheren Versammlungen im Wesentlichen getan, sagte der CDU-Politiker.

Dem widerspricht der Berliner Rechts- und Verwaltungswissenschaftler Ulrich Battis. Es habe durchaus die Möglichkeit gegeben, die Großdemonstration mit bis zu 15 000 Teilnehmern vom vergangenen Samstag zu untersagen, sagte er den „Stuttgarter Nachrichten“ (Mittwoch). „Nach meinen Informationen habe ich keine Zweifel daran, dass das Land mit seiner Auffassung im Recht ist, dass die Demonstration hätte verboten werden können“, ergänzte Battis.

Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen unter anderem in Berlin und Kassel hätten gezeigt, dass sich die Veranstalter nicht an die geltenden Auflagen hielten. „Dass dies in Stuttgart auch so kommen wird, war von vornherein klar“, sagte Battis. Es sei „Unsinn“, sich in Pandemiezeiten auf die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit zu berufen. Hier habe bei Missachtung der Auflagen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit Dritter eindeutig Vorrang.

„Querdenken“-Versammlungen in Freiburg und Weil am Rhein verboten

Verboten wurden in den vergangenen Monaten unter anderem auch „Querdenken“-Versammlungen in Freiburg und Weil am Rhein. Freiburg hatte die Veranstaltung kurz vor Weihnachten 2020 ursprünglich unter Auflagen zugelassen, dann aber befürchtet, dass zu viele Teilnehmer kommen würden.

Am Tag zuvor waren die Initiatoren einer „Querdenken“-Demo in Weil am Rhein vor dem Bundesverfassungsgericht mit ihrem Vorhaben gescheitert, ein Verbot ihrer angemeldeten Veranstaltung noch zu Fall zu bringen. Die Stadt unmittelbar im Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich hatte die Demo untersagt aus Angst, das Virus könne sich verbreiten und die Lage im besonders vom Virus heimgesuchten Landkreis Lörrach verschärfen.

Das Verwaltungsgericht Freiburg und der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hatten das Verbot ebenfalls bestätigt. Beide Gerichte sahen in der Abwägung von Versammlungs- und Meinungsfreiheit gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Leben letzteres als vorrangig an.

Vom Veranstalter des Stuttgarter Protestes, der Bewegung „Querdenken 711“ oder deren Gründer Michael Ballweg, war auch am Mittwoch auf Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten.