Auch nach dem Aus von Karstadt und Kögel kommen die Menschen noch in die Innenstadt – zum Vorteil der kleineren Geschäfte. Foto: /Robin Rudel

In Esslingen waren nach dem Aus von Kögel und Karstadt die Befürchtungen groß, dass die Innenstadt Kunden verliert. Doch neun Monate später ist die Situation im lokalen Einzelhandel wohl besser als befürchtet. Stimmen vor dem verkaufsoffenen Sonntag.

Negativschlagzeilen aus dem deutschen Einzelhandel haben die vergangenen Jahre dominiert. Und auch in der Esslinger Innenstadt waren mit Blick auf die Schließung der großen Mode- und Warenhäuser Kögel und Karstadt die Sorgen bei Kunden und Ladeninhabern groß vor einem weiteren Kaufkraftabfluss und einer möglichen Verödung. Knapp neun Monate später zeigt sich dagegen ein heterogenes Bild. Trotz der eher schlechten Stimmung im lokalen Handel scheint die Innenstadt ihre Trümpfe zu haben. Und mit Blick auf den Esslinger Herbst am diesem Sonntag hoffen die kleinen, oft inhabergeführten Geschäfte, neue Kundschaft auf sich aufmerksam zu machen.

Antje Hammelehle Foto: Robin Rudel

Laut der jüngsten Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer blickt der Handel sorgenvoll in die Zukunft. Demnach beschreibt keiner der Teilnehmer aus dem Kreis Esslingen seine Geschäftslage als gut und 46 Prozent erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine Verschlechterung. Entgegen der allgemeinen Umfragetrends positiv in die Zukunft schauen die Inhaber des Spiel- und Lederwarengeschäfts Heiges mit Blick auf ihre Esslinger Filiale. „Wir haben hier natürlich in Esslingen eine gewisse Lokalkonjunktur“, sagt Jens Walter, der gemeinsam mit seinem Vater die Geschäfte führt. Aufgrund der Veränderungen im Esslinger Einzelhandel – sowohl Karstadt mit einer Taschen- und einer Spielwarenabteilung als auch das Spielwarengeschäft Coconino haben geschlossen – habe gerade im Bereich Spielwaren eine gewisse Marktbereinigung stattgefunden, die dringend notwendig gewesen sei und für Heiges wichtig.

Kunden kommen weiter nach Esslingen

Viele Kundinnen und Kunden sagten, sie fänden es schade, dass Kögel und Karstadt weg seien. Sie kämen jedoch dennoch in die Innenstadt, um bewusst den stationären Einzelhandel zu unterstützen. „In Esslingen gibt es einen soliden Kundenstamm, der die Stadt schätzt“, so Walter. Er betont auch einen Unterschied zu Ludwigsburg, wo Heiges ein Taschengeschäft hat. „In Ludwigsburg stellen wir ein bisschen ein anonymeres Einkaufsverhalten fest.“ Dort sei der Anteil der Marken- und Franchiseshops größer.

Ähnliche Beobachtungen macht Antje Hammelehle, Co-Inhaberin der drei Tragbar-Modegeschäfte und Vorstandsmitglied der Cityinitiative Esslingen. „Wir sind momentan zufrieden“, sagt sie. „Es ist echt was los, die Leute kommen nach wie vor in die Stadt.“ Ähnliche Erfahrungen höre sie aus ihrem Umfeld in der Cityinitiative und von Händlern am Athleteneck, wo sich auch die Filiale „Tragbar pure“ befindet. Für die Händler sei der Weggang von Karstadt und Kögel nicht so schlimm wie befürchtet. „Wir merken, dass Kunden, die früher beim Kögel eingekauft haben, jetzt eher in kleinere Geschäfte gehen“, so Hammelehle. Für die Kundinnen und Kunden sei das Aus der Großen dagegen schon ein Verlust, weil sich das Angebot verringert habe. Dennoch: Viele Leute schätzten den lokalen Einzelhandel in Esslingen und kämen bewusst in die Innenstadt.

Erträge unter Vor-Corona-Niveau

„Ich will die Situation jetzt aber auch nicht zu rosig zeichnen“, räumt Hammelehle ein. Generell kämpfe der Einzelhandel weiter mit dem Weggang der Kunden zum Onlinegeschäft und mit Themen wie langfristigen Mietverträgen. Und die Erträge lägen lange nicht auf dem Vor-Corona-Niveau. „Doch letztes Jahr hatten wir Sorge, ob es überhaupt weitergeht. Und irgendwie geht’s.“

Die Bindung und Anwerbung von Kundinnen und Kunden ist für die Händlerinnen und Händler allerdings mit Anstrengungen verbunden. Sie investieren in Onlineshops, Social-Media-Auftritte, eigene Events und Events in Händlergemeinschaften wie die am Athleteneck, in der Bahnhofsstraße, in der Küferstraße oder am Postmichelbrunnen. Am kommenden Sonntag öffnen weite Teile der Geschäfte ihre Türen zum Esslinger Herbst. „Für den ein oder anderen ist das eine Herausforderung, weil es 13 Tage Arbeit am Stück bedeutet“, sagt Hammelehle, dennoch hält sie den verkaufsoffenen Sonntag mit allerlei Aktionen für eine tolle Veranstaltung. „Die Stadt ist wahnsinnig lebendig.“ Für manche Geschäfte sei der Tag nicht so umsatzstark wie erhofft, er bringe aber viel Frequenz und neue Kunden in die Stadt.

Zum Esslinger Herbst am Sonntag, 10. November, öffnen von 12 bis 17 Uhr die Fachgeschäfte. Schon ab 11 Uhr können Besucher über den Herbstmarkt mit regionalen Produkten, Streetfood und Kunsthandwerk oder den Flohmarkt schlendern. Die Schlienz-Reisemesse im Alten Rathaus und auf dem Marktplatz und Heiges Spieleparadies am Postmichelbrunnen öffnen von 11 bis 17 Uhr.

Pläne der Stadt für den Einzelhandel und die Innenstadt

Situation
 Das Citymanagement steht laut dessen Leiterin Carina Killer im steten Austausch mit dem Handel. „Über den Sommer, im September und Oktober, war mehr los in der Innenstadt.“ Generell sei die angespannte Situation aber bemerkbar. Die gesamtwirtschaftliche Lage schlage sich in geringerer Kauflust nieder.

Pläne
 Zur Unterstützung des Einzelhandels wird die Citycard, ein in vielen Geschäften einsetzbarer Gutschein, digitalisiert. Laut Killer ein Instrument, um die Kaufkraftbindung zu erhöhen. Außerdem will das Citymanagement 2025 dabei unterstützen, die Sichtbarkeit der Händler zu erhöhen. Neben Veranstaltungen wie dem Esslinger Herbst soll auch eine digitale Werbestrategie dazu beitragen. Zudem will der Zielbildprozess Innenstadt eine multifunktionale City – auch mit konsumfreien Räumen – und mehr Aufenthaltsqualität erreichen. Darauf zielen auch die geplanten Umgestaltungen des Marktplatzes und der Ritterstraße ab.