Die Stuttgarter Musikschule beschreitet in der Pandemie neue Wege. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Wie finde ich das richtige Instrument für mich? Was kostet eine Gitarre? Mit dem Format „Beratung digital“ will die Stuttgarter Musikschule neue Kinder gewinnen.

Stuttgart - Wie finde ich das richtige Instrument für mich? Was kostet eine Gitarre? Wie bearbeite ich das Mundstück einer Oboe, oder welche Cellogröße passt zu mir ? Bei einem tierisch musikalischen Spaziergang beantwortet die Stuttgarter Musikschule all diese Fragen, um Kindern die Welt der Musik zu eröffnen. In Zeiten von Lockdown und Beschränkungen durch Corona ist das in Präsenz natürlich nicht möglich. Deshalb hat das Team der Musikschule jetzt das Format „Beratung digital“ entwickelt. Die einzelnen Unterrichtsangebote werden in der Instrumentenvorstellung präsentiert. Zudem gibt es in den diversen Stadtteilmusikschulen an verschiedenen Terminen die Möglichkeit in einem digitalen Beratungsgespräch in einem Chat Fragen zu stellen.

Vor der Pandemie präsentierten immer Kinder für Kinder die jeweiligen Instrumente. Jetzt werden die Inhalte vom Lehrerkollegium kindgerecht vorgestellt. Dabei werden die künftigen Musikerinnen und Musiker mit auf eine Reise durch die Wilhelma genommen, und jedes Instrument steht für ein Tier, wie beispielsweise der Affe wunderbar zur Schlagzeuggruppe passt. „Wir erstellen dafür qualitativ hochwertige Streamings, und das Projekt wird von unserer Stiftung mit 20 000 Euro unterstützt“, sagt Musikschuldirektor Friedrich-Koh Dolge, der sich auch über eine Spende des Rotary Club Stuttgart in Höhe von 7000 Euro freut. Am vorigen Samstag wurden im Livestreaming Blockflöte, Gitarre, Klavier, Klarinette, Oboe, Querflöte, Schlagzeug, Trompete, Violine, Viola und Violoncello vorgestellt. Bis zum 26. Juni stehen weitere acht Termine mit Streaming und Fachberatung auf dem Programm. Weitere Informationen unter www.stuttgarter-musikschule.de. Den Abschluss soll – wenn es die Coronavorschriften erlauben – ein Aktionstag in der Stadt am 3. Juli mit kleinen Konzerten an mehreren Orten bilden.

Einfallsreich in Pandemiezeiten

In Pandemiezeiten müssen Musiklehrer einfallsreich sein. Denn wie die allgemeinbildenden Schulen auch, müssen Musikschulen seit einem Jahr auf digitale Formate ausweichen. Das ersetzt nicht den klassischen Unterricht, ist aber wichtig, um den Kontakt zur Musik aufrechtzuerhalten und größere Lücken in der musikalischen Ausbildung zu vermeiden. Für die meisten Kinder und Eltern ist das besser als gar kein Unterricht. „Wir haben unsere Innovationskraft hervorgeholt und mutig neue Wege eingeschlagen, und ich bin stolz auf mein Team“, sagt Dolge. Ihm war und ist es wichtig, dass die musikalische Bildung nicht zum Erliegen kommt.

Kinder und Jugendliche hätten in ihrem Alltag schon viel weniger Haltbares – der Musikschulunterricht sei Abwechslung und Anker im Lockdown-Allerlei und könne ein wenig Normalität geben. Doch auch der Musikschuldirektor weiß, dass dieser Zustand auf Dauer zermürbend sein kann – für Kinder und Eltern, aber auch für die Pädagogen. Die digitale Umsetzung geht mit einem höheren Energieaufwand einher und ist teilweise belastend für die 190 Musiklehrerinnen und Musiklehrer in Stuttgart. Auch von den Schülerinnen und Schülern ist mehr Konzentration gefordert. Hinzu kommen technische Probleme wie zusammenbrechende Online-Verbindungen, hakende Bilder, schlechter Ton. Und die mangelnde Synchronität erschwert das Unterrichten erheblich. Besteht schon eine persönliche Verbindung zwischen Kind und Lehrer und ist eine Vertrauensbasis da, ist es leichter die richtige Körper-und Fingerhaltung oder die richtige Grifftechnik zu vermitteln. Neueinsteiger haben es da schon schwerer. „Dennoch ist die allgemeine Resonanz sehr gut und positiv. Bei den Eltern herrscht viel Verständnis“, so Friedrich-Koh Dolge.

„Kinder brauchen eine Perspektive“

Abmeldungen habe es nur im Vorschulbereich gegeben, obwohl viele lange durchgehalten haben. Es stimmt Dolge nachdenklich, dass gerade die Sechsjährigen nicht erreichbar sind. „Das ist die Zeit der Orientierung, und wir müssen schauen, dass diese Generation nicht auf der Strecke bleibt“, sagt Dolge. Und natürlich fehlt seinen Schülerinnen und Schülern das gemeinsame Musizieren. Das Orchester und die einzelnen Ensembles haben seit einem Jahr nicht mehr zusammen geprobt. Dennoch ist er zuversichtlich, dass durch „Beratung digital“ neue Kinder gewonnen werden können. Friedrich-Koh Dolge lobt auch die Unterstützung seitens der Stadt und hat dennoch den eindringlichen Appell: „Wir und die Kinder brauchen eine Perspektive.“