Auf der Polyton-Bühne: Kauta, Herbert Grönemeyer und $oho Bani (von links) Foto: dpa/Fabian Sommer

Wenn Max Herre und Joy Denalane auf Herbert Grönemeyer und Roland Kaiser treffen: In Berlin wurde der Musikpreis Polyton verliehen.

Erinnert sich jemand an den Echo? Das war dieser Preis, den die Musikbranche seit 1992 jedes Jahr an ihre kommerziell erfolgreichsten Acts vergab (als ob hohe Umsätze nicht Lohn genug wären), bis 2018 die Empörung darüber, dass ein Preis an Farid Bang und Kollegah ging, so groß war, dass zahlreiche Acts ihre Trophäen zurückgaben und der Bundesverband Musikindustrie den Preis gleich komplett abschaffte.

„Zeit, dass sich was dreht“ und „Atemlos durch die Nacht“

Der Polyton will alles anders machen, will kein neuer Echo, sondern ein Preis von Musikschaffenden für Musikschaffende sein. Am Mittwochabend wurden in Berlin die Auszeichnungen zum zweiten Mal verliehen. Der Akademie für Populäre Musik, die den Preis vergibt, geht es nicht um Kommerz: „Popmusik ist keine Unterhaltung, sondern als Reflektor, Katalysator, Generator und Motor sozialer Prozesse stößt sie immer wieder neue Unterhaltungen an“, heißt es etwas vollmundig in der Polyton-Selbstbeschreibung.

Max Herre und Joy Denalane Foto: Polyton/Bella Lieberberg

Das klingt vielversprechend. Wenn man aber auf die Show, bei der auch Joy Denalane und Max Herre einen Gastauftritt hatten, und einige Preisträgerinnen und Preisträger des Jahres 2024 schaut, erschließt sich dieses Konzept nicht sofort. Etwa wenn $oho Bani und Herbert Grönemeyer für das Update der Fußball-WM-Hymne „Zeit, dass sich was dreht“ in der Kategorie „Text“ ausgezeichnet werden. Oder wenn Helene Fischer und Shirin David für ihre gemeinsame Version von „Atemlos durch die Nacht“ in der Kategorie „Wildcard“ den Preis bekommen.

Shirin David und Thomas Gottschalk

Zwar wurde in den Jurybegründungen versucht, den beiden Songs ein gesellschaftskritische Dimension zu geben: Der Song positioniert sich gegen den Rechtsruck, der andere wird als Beitrag zur neuen Feminismus-Debatte interpretiert, nachdem Shirin David sich beim Auftritt bei „Wetten, dass...“ mit Thomas Gottschalk anlegte. Dass die Neuauflagen zweier alter Hits als preiswürdig angesehen wurden, deutet dennoch an, dass es nicht besonders gut um die Branche steht.

Aber immerhin wurden am Mittwoch auch Künstlerinnen und Künstler ausgezeichnet, die eher nicht für einen Echo infrage gekommen wären. In der Kategorie „Komposition“ ging der Preis an „Hold on to Deer Life, There’s a Blcak Boy Behind you“ von Kabeaushé. In der Kategorie „Playing“ wurden Lorenz Rhode und das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld ausgezeichnet. Die Beatsteaks holten sich den Sieg in der Sparte „Performance“ für ihren Auftritt in der Wuhlheide. Weitere Preise gingen an die Musikerinnen Paula Hartmann („Produktion“) und Mine („Digital) sowie die Choreografin Fatoumata Camara („Bühne“). Und obwohl die Dramaturgie der Polyton-Gala noch etwas verbesserungsbedürftig ist, man sich gewünscht hätte, dass die Preisträgerinnen und Preisträger auch ein paar Sätze zu ihrer Arbeit sagen dürfen, war die Show trotzdem ein Erlebnis.

Roland Kaiser Foto: Polyton/Bella Lieberberg

Es begann damit, dass Herbert Grönemeyer zusammen mit $oho Bani über die runde Bühne tanzte, und endete damit, dass Roland Kaiser Helene Fischer dafür kritisierte, dass sie nicht gekommen war, um ihren Preis entgegenzunehmen und drohte, die Trophäe persönlich bei ihr vorbeizubringen.