Regisseur Cornelis Baltus (links) begrüßt die Vampire zurück auf der Stuttgarter Bühne: Am 5. Oktober ist Premiere. Foto: red

Durch den Saal dürfen Vampire nicht mehr schreiten – die Pandemie sorgt für neue Szenen bei der Erfolgsinszenierung. Zum Probenstart kam Stage-Chefin Uschi Neuss aus Hamburg – und hatte gute Nachrichten im Gepäck.

Stuttgart - Allein das schöne Wetter, sagt Uschi Neuss und strahlt, sei ein guter Grund, vom verregneten Hamburg ins spätsommerliche Stuttgart zu reisen. Die oberste Chefin des deutschen Musicalmarktführers Stage Entertainment ist gut gelaunt. Für Interviews zum Neustart im SI-Centrum nach 18-monatigem Lockdown sitzt sie auf der Terrasse des Palladium-Theaters, blinzelt in die Sonne und verbreitet einen ansteckenden Optimismus, der ihrem Team nach der langen Zeit der Ungewissheit und des fortwährenden Verschiebens von Comeback-Terminen gut tut. Corona ist noch nicht vorbei, doch die Vampire dürfen endlich wieder aus ihren Särgen steigen.

Am 5. Oktober feiern die erotischen Geschöpfe der Nacht Premiere ihrer vierten Spielzeit von Stuttgart – mit etlichen Erneuerungen, wie Regisseur Cornelius Baltus verspricht, der vor 21 Jahren mit Roman Polanski die Show zum ersten Mal im Apollo-Theater inszeniert hat.

Mit dem Stellenabbau ist nun Schluss, sagt die Chefin

Aus Hamburg hat Geschäftsführerin Uschi Neuss eine gute Nachricht nach zu vielen Tiefschlägen für die Entertainmentbranche mitgebracht. Die Stage hat in den letzten Monaten insgesamt 100 Stellen im nichtkünstlerischen Bereich gestrichen, in Möhringen fiel unter anderem die gesamte Pressestelle weg. „Damit ist nun Schluss“, sagt die Chefin. Einen weiteren Abbau von Personal werde es nicht geben – im Gegenteil, jetzt werden wieder Leute gesucht, vor allem für den Service und für den Einlass.

„Im kreativen Bereich haben wir ohnehin nichts gestrichen“, erklärt die freundliche Hamburgerin. Auch in der Pandemie habe man sich neue Stoffe ausgedacht, mit denen man vor allem ein jüngeres Publikum locken will. Überleben konnte die Stage Entertainment, die sich seit 2018 im 100-prozentigen Besitz des US-amerikanischen Medienunternehmens Advance Publications befindet, weil die neuen Eigentümer den Geldhahn nicht zudrehten und weil man mit den Vermietern im SI-Centrum „akzeptable Regelungen“ zur Reduzierung der Miete gefunden habe. Auf staatliche Fördergelder angesprochen, muss Uschi Neuss erst einmal lachen. Nein, da sei nicht viel gekommen. Die Kurzarbeit aber sei eine wichtige Unterstützung gewesen für das Personal – und dafür ist sie dem deutschen Staat sehr dankbar. Andere Länder könnten davon nur träumen.

„Aladdin“ startet im November

In Hamburg ist die Stage bereits gestartet mit „Wicked“. Dort darf, anders als in Stuttgart, der Theatersaal noch nicht vollständig gefüllt werden. Im Palladium-Theater und später im Apollo-Theater (dort startet „Aladdin“ im November) können unter Einhaltung der 3-G-Regel sämtliche Reihen bei Maskenpflicht besetzt werden. Doch kommen die Leute auch? Noch seien viele zurückhaltend, sagt Uschi Neuss, was verständlich sei. Man müsse sich erst wieder zurechtfinden in dem, was geht. Die Auslastung der Stage liege etwa mit 20 bis 30 Prozent unter dem, was in der Planung stehe. Doch dies ändere sich nach und nach. Von steigenden Verkaufszahlen berichtet sie. „Die Leute kaufen ihre Karten kurzfristiger als früher“, berichtet die Geschäftsführerin. Die Stimmung werde aber immer besser.

Von der Sonnenterrasse des Palladiums führt Stage-Sprecher Stephan Jaekel sodann in die dunkle Gruft des lang verwaisten Theatersaals. Boris Ritter, der musikalische Leiter, sitzt am Klavier und freut sich, dass es endlich losgeht. „Mindestens 1000-mal“ hat er bisher das Orchester der Vampire dirigiert. Zehn Musiker spielen mit ihm, sechs im Graben, vier in einem Extraraum. Als die Darsteller zurück auf die Probebühne kehrten, sind Tränen geflossen. Warum das Stück so erfolgreich ist? Regisseur Cornelius Baltus antwortet mit dem Hinweis auf ein wichtiges Körperteil des Menschen. Der Hals ist für ihn die „erogenste Zone“ überhaupt. Wer dies nicht wisse, sollte sich mal vom Partner an dieser Stelle liebkosen lassen. Jetzt beißen die Vampire genau dort wieder zu. „Es wird keine Kopie der bisherigen Shows“, erklärt Baltus. Jeder Darsteller sei anders, und er will seine Leute „individuell wachsen lassen“.

Rückkehr von Kevin Tarte wird nicht ausgeschlossen

Der neue Krolock ist der Italiener Filippo Strocchi. „Seine Stimme ist Pop-Bariton und äußerst zeitgemäß“, lobt Baltus. Damit unterscheide er sich von Kevin Tarte, der vor 21 Jahren von Roman Polanski für die Hauptrolle ausgewählt wurde und für den „klassischen Bariton“ stehe. Diana Schnierer aus der Slowakei spielt die Sarah. Ob Kevin Tarte, wie von seinen Fans erträumt, erneut als Chefvampir-Gast auftritt, will die Stage nicht ausschließen. Ein Termin stehe aber bisher noch nicht fest. Bis Sonntag weilt Tarte mit seinem Partner Stefan Wolf in seiner US-Heimat Seattle. Bisher habe man ihn nicht gefragt, lässt er uns von dort mitteilen, sei aber für die Finsternis bereit. Stuttgart freut sich auf ein fulminantes „Sei bereit“!