Der Verkehr in Stuttgart ist immer für eine Kontroverse gut. Foto: Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttgar/t

Die Stadt feilt an einem Plan, um „nachhaltig und innovativ mobil“ in Stuttgart zu sein. Bei der Debatte, was darunter zu verstehen sei, geht es ruppig zu. Und das ist erst der Anfang.

Ist Stuttgart eine Stadt des Verkehrs oder des Verkehrschaos? Profitieren die Bewohner der Stadt von der starken Automobilindustrie oder leiden sie unter ihr? Wie werden sich Stuttgarterinnen und Stuttgarter in der Zukunft durch ihre Stadt bewegen? Ein neues, von der Verwaltung vorgelegtes Konzept mit dem sperrigen Titel „Aktionsplan 2023 Nachhaltig und innovativ mobil in Stuttgart“ könnte erste Hinweise geben. Doch schon bei der ersten politischen Behandlung des Papiers, zeigte sich, wie groß der Graben ist, der beim Thema Verkehr quer durch den Gemeinderat verläuft. Nicht wenige am Ratstisch waren auf Kollisionskurs, ein Einlenken war nicht zu erkennen.

Nopper verweist auf sinkende Stauzahlen

OB Frank Nopper (CDU) hatte zunächst seine Sicht auf die Dinge dargelegt. Stuttgart stehe nicht schlecht da, so die These des Rathauschefs Er verwies auf eine abnehmende Staubelastung, eine über dem Landesschnitt liegende Quote an elektrisch betriebenen Autos in der Stadt. Er halte wenig von Vergleichen, jede Stadt müsse ihren eigenen Weg gehen. Der Nahverkehr sei schon gut, beim Ausbau der Radwege müsse man einen deutlichen Zahn zulegen. Alles was entschieden werde, müsse „sozial- und wirtschaftsverträglich“ sein.

Die sich daran anschließende Debatte im Rathaus lässt wenig Gutes für den Zeitpunkt erwarten, wenn es wirklich an Konkretes geht. Denn das, was die Verwaltung nun vorgelegt hat, sind zwar stolze 200 Vorschläge, die in den kommenden drei bis fünf Jahren umgesetzt werden könnten. Aber nur dann, wenn sich der Gemeinderat bei jeder einzelnen Maßnahme darauf verständigen kann, auch das dafür notwendige Geld bereitzustellen.

Stadträte rügen Unverbindlichkeit

Trotz dieser Unwägbarkeiten nannte Martin Körner, der Chefstratege von OB Nopper im Rathaus, das vorgelegte Papier eine „geballte Wucht“. Der Aktionsplan sei ein „Steinbruch dessen, was die Verwaltung in den kommenden drei bis fünf Jahren für möglich hält und aus dem sich der Gemeinderat bedienen kann“.

Diese Unverbindlichkeit kritisierte Björn Peterhoff (Grüne). In dem Text erkannte er „viel Rückzugskampf, der in Prosa verpackt ist“. Peterhoff monierte eine weiterhin zu starke Fixierung aufs Auto, die er ausgemacht haben will. Zudem fehle eine Antwort auf die Frage, wie der Straßenraum neu zu verteilen sei. Wichtige Beschlüsse des Gemeinderats aus der Vergangenheit wie etwa zum Konzept „lebenswerte Innenstadt“ oder die Ergebnisse des Wettbewerbs zur Umgestaltung der B 14, würden ausgeblendet.

Damit war der Ton gesetzt, den Luigi Pantisano (Links-Fraktion) noch verschärfte. Er frage sich, ob Nopper die vergangenen Jahre auf einer einsamen Insel gelebt habe. „Nur so lässt sich Ihre Art zu argumentieren erklären“. Das Konzept sei eine Kehrtwende gegenüber der Verkehrspolitik, die die Ratsmehrheit seit Jahren vorantreibe. Das Papier müsste eigentlich die Überschrift tragen: „OB Nopper rettet das Auto“. Der so Gescholtene gab zurück Pantisanos Besserwisserei sei deplatziert. „Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht im Besitz der absoluten Wahrheit“.

Lucia Schanbacher (SPD) monierte, die Stadt stehe sich bei der Verkehrswende selbst im Weg, weil es weiterhin „politische Kräfte gibt, die sich dagegen mit Händen und Füßen wehren“. Dabei sei dies längst nur noch eine Frage des Wie und nicht des Ob.

Änderungen sind noch möglich

Lob gab es hingegen von Alexander Kotz (CDU). Das Papier bilde „die gesamte Bandbreite der Mobilität ab“ . Es sei falsch wenn alle in „der Denkweise von entweder oder verharren“. Er regte eine Bürgerumfrage mit dem Fokus Mobilität an. Er erhofft sich davon eine Antwort auf die Frage, ob die Arbeit der Stadträte in die richtige Richtung geht. „Vielleicht ist die Gesellschaft ja ganz anders, als das sich hier viele so denken“.

Armin Serwani (FDP) lobte das Konzept: es sehe Verbesserungen für alle Bereiche vor. Deborah Köngeter (Puls) hingegen monierte, dass es keine Ansätze zur Reduzierung des Flächenbedarfs von Autos enthalte. Einen differenzierten Blick auf die Mobilität in der Stadt attestierte Michael Schrade (Freie Wähler). Er vermisse allerdings Hinweise, wie mit Park-und-Ride-Angeboten der Verkehr bereits an der Stadtgrenze reduziert werden kann.

Nach dem hitzigen Auftakt ist nun Sacharbeit gefordert. Bis zum 21. März können die Fraktionen Änderungs- und Ergänzungswünsche zusammengetragen. Dann soll das Konzept verabschiedet werden – und die Suche nach dem Geld für die Umsetzung der Projekte kann beginnen.