Die Zeiten sind schwierig – auch für DFL-Chef Christian Seifert. Foto: AFP/Arne Dedert

Wie geht es in Zeiten von Corona weiter in der Fußball-Bundesliga? DFL-Chef Christian Seifert zeichnet ein düsteres Bild und sagt: „Es geht ums Überleben.“

Frankfurt - Wie sehr das Coronavirus auch den deutschen Profifußball in seinen Grundfesten erschüttert hat, war nicht nur an den Worten von Christian Seifert festzumachen. Selten wirkte der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) so besorgt wie nach der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Montag in Frankfurt. „Wir ringen um Lösungen, damit die wirtschaftliche Lage nicht außer Kontrolle gerät. Wir müssen darüber sprechen, wer wie lange ohne Spiele durchhält. Es steht mehr auf dem Spiel als nur ein paar Fußballspiele“, sagte der 50-Jährige.

Erwartungsgemäß stimmten die Clubvertreter dem Präsidiumsvorschlag zu, auch den 27. Spieltag am kommenden Wochenende auszusetzen. Wobei Seifert zu verstehen gab: „Damit geht nicht einher, dass wir Anfang April wieder Fußball spielen. Die Eindämmung des Virus hat Vorrang vor allem.“ Über die Fortführung soll in der letzten Märzwoche gesprochen werde. Die für diesen Dienstag angesetzte Sitzung der europäischen Dachorganisation Uefa wird neue Optionen eröffnen. Sehr deutlich klang durch, dass die für den Sommer geplante EM verschoben wird. Der mit Uefa-Präsident Aleksander Ceferin gut vernetzte Liga-Boss bezifferte die Chance auf eine Austragung auf unter ein Prozent: „Ich gehe davon aus, dass wir mehr Flexibilität haben und mit Terminen im Mai und Juni rechnen können.“

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Ungeachtet vieler Unwägbarkeiten kämpft Seifert darum, dass beizeiten wieder in der Bundesliga der Ball rollt: „Alle Clubs haben den Anspruch, diese Saison – rechtlich möglich und gesundheitlich vertretbar – zu Ende zu spielen.“ Eine Art Notfallparagraf wurde im Liga-Statut geschaffen, um per Online-Abstimmungen künftig schneller zu Entscheidungen zu kommen.

Alle Vereine wurden aufgefordert, am jeweiligen Standort mögliche Handlungsalternativen abzuklopfen, aber auch Extremszenarien ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit festzustellen. Es gehe eben nicht nur um die „gut bezahlten Bundesligaspieler“ (Seifert), dahinter würden 56 000 Arbeitsplätze stehen. Deshalb dürfe es auch kein Tabu bei Geisterspielen geben. Dass Partien vor leeren Rängen keine Lösung zur Überbrückung sein können, war nach den schauerlichen Erfahrungen vergangene Woche in Mönchengladbach, Frankfurt oder Wolfsburg der vorherrschende Eindruck. Weil in der direkten Umgebung alles fehlt, was den Fußball ausmacht; weil sich im Umfeld die nächsten Menschenansammlungen bilden. Seifert aber stellte klar: „Wer Geisterspiele ablehnt, muss sich darüber bewusst sein, dass es dann bestimmt nicht mehr alle Profivereine gibt. Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit sind die einzige Überlebenschance. Wir müssen über diese Maßnahmen nachdenken.“

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Über staatliche Hilfen sei noch nicht gesprochen worden, sehr wohl aber hat Seifert erfahren, dass einzelne Clubs gerade die Bereitschaft ausloten, sich über Gehaltsverzicht einen Teil vom größten Kostenblock vom Leib zu halten. „Wir erleben nicht nur eine finanzielle, sondern moralische und emotionale Solidarität. Es geht nicht darum, wer am besten dasteht, sondern es geht ums Überleben.“

Auch der DFL-Geschäftsführer erlebt gerade die schwierigste Phase seines Berufslebens. Neben dem tückischen Virus sei die Unsicherheit gerade „der zweitgrößte Feind“. Wie andere Branchen gerate auch der deutsche Profifußball in Gefahr, wenn er zu lange aussetzt: „Die größten Einnahmen sind Medieneinnahmen, Sponsoring- und Zuschauereinnahmen. Wenn sie das alles nicht mehr haben, ist es eine Frage der Zeit, wie lange das gut geht“, sagte der DFL-Chef.

„Wie im Science-Fiction-Film“

Konkret müssen die Vereine der Bundesliga und zweiten Liga bei einem Abbruch der Saison mit einem wirtschaftlichen Schaden von insgesamt 750 Millionen Euro rechnen. 384 Millionen stehen allein aus den nationalen Medienerlösen und aus der internationalen Vermarktung noch aus. Versichert sind die TV-Gelder genau wie in den meisten anderen Ligen nicht. Die DFL hat 2018 alleine eine Spielausfallversicherung abgeschlossen. „Unser Versicherungsschutz deckt eine Pandemie nicht ab“, erläuterte Seifert, der von einem Szenario „wie im Science-Fiction-Film“ sprach.

Noch wand er sich um die Frage, was passiert, wenn über den 30. Juni hinaus im Herzen Europas kein geregelter Spielbetrieb stattfinden kann. In China hat es – bei weitaus drastischeren Restriktionen für die Bevölkerung – acht Wochen gedauert, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Kann es in der Bundesliga bei einem Saisonabbruch überhaupt Absteiger geben? Seifert wollte diese Frage nicht beantworten. „Es ist nicht redlich, Ja oder Nein zu sagen. Erst mal ist das Interesse, diese Saison zu Ende zu spielen.“ Irgendwie. Irgendwann.