Insgesamt 41 Streifenwagen und ein Polizeihubschrauber waren bei der Verfolgungsjagd im Einsatz. Foto: dpa/Marijan Murat

Ein Mann soll Anfang 2023 in einem Mercedes mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde vor der Polizei geflüchtet sein. Am Amtsgericht Ludwigsburg legte der Mann ein Geständnis ab, doch ihm droht weiterer juristischer Ärger.

Um sich nach Mitternacht einer Verkehrskontrolle zu entziehen, wendet ein Autofahrer auf der B 10 bei Neuwirtshaus. Vorbei an mehreren schockierten Verkehrsteilnehmern entfernt sich der Sportwagen – ein Mercedes AMG GT 63 S – mit Lichthupe von der Kontrollstelle. Auf der richtigen Seite rast er im Anschluss über die A 81 bis nach Mundelsheim, dort fährt er von der Autobahn ab und wendet, um wieder Kurs in Richtung Stuttgart zu nehmen. Im Lauf einer langen Verfolgungsjagd gelingt es Polizeibeamten sich vor den 639 PS starken Boliden zu setzen, der Aufforderung ihnen an der Ausfahrt Ludwigsburg-Süd zu folgen, kommt der Fahrer jedoch nicht nach. Stattdessen drückt er aufs Gas. Am Bosch-Parkhaus an der Messe gelingt es ihm, zahlreiche Streifenwagen – 41 waren insgesamt im Einsatz – und einen Polizei-Hubschrauber abzuhängen. Mutmaßlich mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde rast er über die A 8 bis nach Mühlhausen im Täle, dort stellt er den Mercedes nach einer rund 120 Kilometer langen Flucht ab und verschwindet zu Fuß in der Dunkelheit.

Führerschein gefälscht

Am Freitagvormittag musste sich ein 39 Jahre alter Mann aus Mittelbiberach für die Fahrt, die sich bereits am 21. Januar 2023 ereignet hat, vor dem Amtsgericht Ludwigsburg verantworten. Wegen des mehrfachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, dem Fälschen eines Führerscheins und vor allem wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens – in Deutschland ist dieser Straftatbestand auch ohne Kontrahenten möglich – ist er zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Damit folgte das Gericht dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft. Zudem wurde für den Wiedererwerb des Führerscheins eine Sperrfrist von zwei Jahren verhängt.

Diese Strecke ist der Angeklagte offenbar gefahren. Foto: STZN

Dass die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, hat einen einfachen Grund: Der Angeklagte hat bereits zu viel auf dem Kerbholz. Unter anderem ist der 39-Jährige am Amtsgericht Böblingen wegen Betrugs im besonders schweren Fall in vier Fällen und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, am Freitag, 13. Dezember, steht der Berufungsprozess am Landgericht Stuttgart an. Es ist durchaus möglich, dass am Ende des Verfahrens eine neue Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird. Darüber hinaus finden sich im Bundeszentralregister 20 weitere Eintragungen. Seit dem Jahr 2000 sind dort unter anderem Körperverletzungen, Beleidigungen und mehrfach auch Fahren ohne Fahrerlaubnis gelistet. Darüber hinaus hat er sich auch unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln hinters Steuer gesetzt.

Kokain im Mercedes

Der Drogenkonsum des Angeklagten ist offenbar auch Grund für die nächtliche Flucht vor der Polizei gewesen. Der 39-Jährige, der die ihm vorgeworfenen Taten voll umfänglich einräumte, soll in der besagten Nacht Kokain beschafft haben. „Für den Eigenbedarf“, wie sein Verteidiger Achim Ziegler mehrfach betonte. Welche Mengen der Angeklagte, der seit seinem 16. Lebensjahr von Kokain abhängig sei, im Beifahrerfußraum gelagert hatte, ist bis heute unklar. Bei der kriminaltechnischen Untersuchung des Mercedes konnten dort nur noch geringe Mengen sichergestellt werden.

Auf die Spur des Angeklagten, der seit rund zwei Jahrzehnten als Autohändler arbeitete, kam die Polizei, weil der Mercedes auf die Firma seiner Verlobten angemeldet war. Mehrere Beamte, die in der Nacht im Einsatz waren, konnten den Mann im Anschluss auf Bildern eindeutig identifizieren, außerdem ist er mit Tempo 166 geblitzt worden. Kurz vor der stationären Radarkontrolle soll er noch stark abgebremst haben.

Mit dem Geständnis, das die Staatsanwaltschaft als gewichtig einstufte, weil damit dem Gericht ein größeres Beweisprogramm erspart blieb, wolle der Angeklagte „mit der Sache abschließen“, sagt Anwalt Ziegler. In seinem Schlusswort zeigte der Vater zweier Kleinkinder Reue. Es sei eine Kurzschlussreaktion gewesen. Er habe seiner Verlobten versprochen, keine Drogen mehr zu nehmen, den Konsum deutlich reduziert und für seine Verhältnisse quasi auch aufgehört. „Ich hatte Angst, dass alles zusammenbricht. Es ist nicht zu rechtfertigen, was ich gemacht habe.“ Gott sei dank sei nichts passiert, es hätte anders ausgehen können. „Ich hätte ein anderes Leben wählen können, habe es verbockt. Ich bin häufig vorbestraft, war oft in Haft. Bis zur Geburt meines ersten Sohnes hat mir das nie etwas ausgemacht. Doch jetzt tut jeder Tag im Gefängnis weh.“