Das Loch im Ostfilderner Haushalt wächst. Deshalb haben die Stadträte finanzwirksame Anträge im Haushaltsplan mit Sperrvermerken versehen. Im Mai 2025 kommen sie erneut auf den Prüfstand.
Angesichts knapper Kassen schrumpfen die Spielräume der Kommunen. Das spürt auch die Stadt Ostfildern bei ihren Beratungen zum Haushaltsplan. Davon zeichnet Markus Lewe, Oberbürgermeister der Stadt Münster und Präsident des Deutschen Städtetags, ein düsteres Bild. Manche Kommunen verlieren demnach die Finanzhoheit. „Die Finanzen der Kommunen sind aber das zentrale Thema, auch mit Blick darauf, wie wir die Demokratie vor Ort sichern“, sagte Lewe in einem Interview.
Nach der Steuerschätzung vom Oktober fehlen auch der Stadt Ostfildern weitere 2,3 Millionen Euro. Mit dieser Hiobsbotschaft läutete Oberbürgermeister Christof Bolay im November die Haushaltsdebatte im Gemeinderat ein. Das bedeutet, dass die rund 40 000 Einwohner zählende Stadt den Gürtel nun erheblich enger schnallen muss. Finanzwirksame Anträge, die die Fraktionen im Zuge der Haushaltsberatungen gestellt haben, werden mit einem Sperrvermerk versehen – das beschloss der Gemeinderat bei der Sitzung im Stadthaus mit großer Mehrheit.
Mobilitätshub im Scharnhauser Park liegt aus Eis
Nach der Mai-Steuerschätzung werde man die Anträge erneut unter die Lupe nehmen und prüfen, was finanzierbar ist, sagte Bolay. Dass die Schuldenlast bis dahin abnimmt, ist nicht abzusehen. Wie die anderen Kommunen muss auch Ostfildern zunächst die Pflichtaufgaben erfüllen. Städtetagspräsident Lewe sieht eine Hauptursache der Schieflage in der Inflation. Zudem hätten die Kommunen zusätzliche Kosten für Integration und Kinderbetreuung. „Die Kosten, die den Kommunen entstehen, werden bei weitem nicht durch Bund und Länder abgedeckt.“ Andererseits sänken die Einnahmen durch Steuern. Gewerbesteuern sind wegen der Wirtschaftslage ein Unsicherheitsfaktor.
Diesem Trend will Ostfildern entgegenwirken. Die Stadt hat das nachhaltig geplante Gewerbegebiet Scharnhausen West erschlossen, und geht nun in die Vermarktung. Bis das Gelände bebaut und bezogen ist, wird aber noch viel Zeit vergehen. Wegen der drastischen Sparzwänge wird auch der Mobilitätshub an der Stadtbahnhaltestelle Kreuzbrunnen auf Eis gelegt. Diese Station hatte die Stadt lange geplant, um die Verkehrswende voranzubringen. Klimaschutz hat für die Kommunalpolitiker in Ostfildern hohe Priorität. Doch um die benötigten 350 000 Euro aufzubringen, fehlt der Spielraum.
„Wir müssen auf Sicht fahren“, brachte Corina Raisch (Freie Wähler) den kommunalpolitischen Kurs auf den Punkt. Der Fehlbetrag im Etat von 3,8 Millionen Euro vergrößere sich um weitere 2,3 Millionen Euro. Deshalb findet die stellvertretende Fraktionschefin der Freien Wähler die Sperrvermerke „folgerichtig und unumgänglich“. Da der Haushalt bereits auf Kante genäht sei, habe ihre Fraktion schweren Herzens schon in der Haushaltsrede gefordert, den Mobilitätshub auf Eis zu legen. „Sparen und abwägendes Wirtschaften“ ist für Corina Raisch derzeit die einzige Möglichkeit, um die angespannte Haushaltslage zu meistern.
Wichtiger Baustein für klimaneutrale Verkehrswende in Ostfildern
Schweren Herzens nahmen auch die Grünen den Sperrvermerk auf dem Mobilitätshub am Kreuzbrunnen zur Kenntnis. „Wir hätten uns wegen der Wichtigkeit zur klimaneutralen Verkehrswende keinen Sperrvermerk gewünscht“, sagte Fraktionschef Oliver Werner. Aufgrund der Haushaltslage werde man das Gesamtpaket nicht ablehnen. Er verwies auf die Bedeutung des Projekts für die lokale Verkehrswende und regte an, die Zeit zu nutzen, um sich mit der Gestaltung des Mobilitätshubs zu beschäftigen. Da könne man sich etwa in Leinfelden-Echterdingen Anregungen holen.
Gerade der Teilaspekt elektrischer Ladesäulen ist Werner wichtig, da viele Menschen in der Parksiedlung und im Scharnhauser Park keine Lademöglichkeiten hätten. Hohe Priorität hat die Mobilitätsstation für Stefanie Sekler-Dengler (SPD). Das ist für die Vorsitzende der Fraktion „ein Meilenstein“ der Mobilitätswende. Sie lenkte den Blick auch auf die beantragten Sonnensegel für öffentliche Plätze, deren Anschaffung ebenfalls aufgeschoben wird: „Beim Hitzeschutz muss angesichts des Klimawandels dringend etwas passieren.“
Auf die drastische Verschlechterung der Wirtschaftslage verwies Uwe Stahlmann (CDU), wobei die Einnahmen auch durch die Gewerbesteuer in Ostfildern ein Hoffnungsschimmer seien. Da muss die Stadt aus der Sicht des Fraktionschefs Prioritäten setzen. „Ein deutliches Signal dafür sind die vom Kämmerer gesetzten Sperrvermerke sowie die haushaltswirtschaftliche Teilsperre, die über das vom Gemeinderat geforderte Maß noch hinausgehen.“ Stahlmann verwies auf Pflichtaufgaben, etwa im Bereich der Flüchtlingsunterbringung und der Kinderbetreuung. Da dürften finanzwirksame Anträge „nicht einfach so durchgewunken werden“.
Was alles auf Eis liegt
Mobilitätsstation
Auf Eis gelegt wird die Mobilitätsstation an der Stadtbahnhaltestelle Kreuzbrunnen, die Ostfildern im Rahmen des Mobilitätskonzepts seit langem geplant hat. Das Projekt umfasst unter anderem E-Ladestationen und eine verbesserte Infrastruktur für den Radverkehr.
Pop-up-Radstraße
Um den Radverkehr zu fördern, haben die Grünen beantragt, in der Plochinger Straße eine vorübergehende Radstraße auszuweisen, um zu testen, ob das funktioniert. Dies ist auch mit Blick auf den geplanten Radschnellweg wichtig. Vorerst ist dieses Vorhaben im Etat nicht drin.
Ortskernsanierungen
Mit Sperrvermerken haben die Stadträte nun auch die Ortskernsanierungen in Kemnat, Nellingen und in der Parksiedlung versehen. Die laufenden Arbeiten und die Zeitpläne für die Fertigstellung würden davon aber nicht betroffen, sagte die Stadtverwaltung zu.