Das Leben saust nur so vorbei, seit sich David (Vincent Lacoste) nicht ganz freiwillig um seine kleine Nichte Amanda (Isaure Multrier) kümmern muss. Foto: MFA - MFA

Manchmal stellt einen das Leben vor völlig unerwartete Herausforderungen. In seinem neuen Kinodrama „Mein Leben mit Amanda“ erzählt der französische Regisseur Mikhaël Hers die Geschichte eines sehr ungleichen Paares und dessen gemeinsamen Versuchen, sich im Leben zurechtzufinden.

EsslingenDavid nervt. Der junge Mann weiß offenbar nicht so recht, wo er hin soll mit seinem gerade mal 24 Jahre alten Leben. David lebt in Paris, was schon mal nicht schlecht ist. Er jobbt vor sich hin, etwa als stets gehetzter Verwalter von Ferienwohnungen. Das Geplänkel mit seiner neuen Nachbarin kommt auch nicht so recht in die Gänge. Und dann macht auch noch ein Schicksalsschlag seine junge Nichte zum neuen Mittelpunkt von Davids Alltag. In seinem neuen Kinodrama „Mein Leben mit Amanda“ erzählt der französische Regisseur Mikhaël Hers die Geschichte eines sehr ungleichen Paares und dessen gemeinsamen Versuchen, sich im Leben zurechtzufinden.

Bereits in seinem Film „Dieses Sommergefühl“ hatte der französische Regisseur vor vier Jahren die schwierige Annäherung zweier einander bereits bekannter Menschen nach dem plötzlichen Tod eines geliebten Anderen, der beide verbunden hatte, beschrieben. Die Trauerarbeit geht nun in „Mein Leben mit Amanda“ weiter. Opfer ist diesmal Sandrine (Ophélia Kolb), die alleinerziehende Mutter von Amanda (Isaure Multrier) und zugleich die Schwester von David (Vincent Lacoste). Mit latenter Unzuverlässigkeit versorgt der Onkel immer mal wieder seine Nichte, um die Schwester zu entlasten. Doch dann kommt Sandrine während einer Feier im Park durch einen Anschlag ums Leben. Warum wird ausgerechnet sie zum Opfer eines Terrorakts? Paris ist seit dem Schreckensjahr 2015 mit den Anschlägen etwa auf die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo oder den Musik-Club Bataclan ohnehin schon gezeichnet. Doch für Mikhaël Hers’ Film hätte es wohl auch ein tödlicher Unfall oder eine unheilbare Krankheit getan. Der Terrorakt selbst bleibt dagegen in diesem ansonsten extrem langsam und ruhig erzählten Film ein Fremdkörper.

Was macht nun ein unabhängiger junger Mann, dessen getötete Schwester eine alleinstehende Siebenjährige hinterlässt? Sich kümmern? Die rechtlich mögliche Vormundschaft übernehmen? Nicht in einem französischen Film, zumindest nicht bei Mikhaël Hers. Er lässt seinen Protagonisten den halben Film lang weitgehend ziellos treiben, schickt ihn durch Paris, findet dafür allerdings immer wieder wunderbar unaufgeregte und dennoch für die Stadt sehr typische kleine Spielorte. Die Geschichten werden vor dieser Kulisse zwar überzeugend gespielt, kommen aber nicht voran. Onkel und Nichte finden nur extrem langsam zueinander, die Erzählstränge von Davids Beziehungen zu Nachbarin Léna (Stacy Martin) und Mutter Alison (Greta Scacchi) kommen über Erzählansätze kaum hinaus.

Frankreichs Regie-Ikone François Truffaut sagte 1973 anlässlich seines mittlerweile zum Klassiker avancierten Werks „Die amerikanische Nacht“, Filme seien wie das Leben, es gebe in ihnen nur keine Staus. Mikhaël Hers fordert dagegen im aktuellen Begleitmaterial zu „Mein Leben mit Amanda“, dass „Film dem Stau eine Rolle geben sollte“. Dementsprechend schleppt sich „Mein Leben mit Amanda“ fast zwei Stunden über die Kinoleinwand. Wie hinter dem Steuer gilt auch hier die Empfehlung: Jetzt bloß nicht einschlafen.

David fühlt sich noch zu jung, um seinem Pariser Leben ein Ziel zu geben. Es ist auch alles nicht so einfach mit dem Job oder der neuen Nachbarin. Doch dann wirbelt ein Terroranschlag in Mikhaël Hers’ neuem Kinodrama alles auf. So richtig mitreißen kann dieser langsam und bedächtig erzählte Film aber nicht.