Es gibt immer wieder Geschichten von Geflüchteten, die berühren und verwundern. Samir Sargolzahi ist ein solcher Geflüchteter. Der Iraner baut sich eine Existenz in Oberstenfeld auf.
Es gibt immer wieder Geschichten von Geflüchteten, die berühren und verwundern. Verwundern, weil die, die sie hören, sich fragen, wie ein Mensch das alles aushalten kann.
Samir Sargolzahi ist ein solcher Geflüchteter. Schon als Zehnjähriger verließ er sein Zuhause, um Geld für die Eltern und die sechs Geschwister dazu zu verdienen. Er arbeitete in einer Firma für mechanische Bearbeitung von Zylinderköpfen, auch in einer Reinigungsfirma war er beschäftigt.
Samir kommt aus Belutschistan, einer Region im iranischen Hochland und wuchs dort im sunnitischen Glauben auf. Die Mehrzahl der Iraner sind jedoch Schiiten. „Belutschis haben im Iran keine Rechte mehr. Wir dürfen die Schule nicht besuchen, haben keine Ausweise oder Versicherungen“, beklagt der 29-Jährige, der seit September 2015 in Deutschland lebt.
Bei der Flucht bluten die Füße
Als 20-Jähriger flüchtete er mit weiteren Iranern über die Berge in die Türkei – zu Fuß. „Ich bin so viel gelaufen. Etwa drei Wochen lang. Alles war wund und blutig.“ Mit dem Schiff ging es nach Griechenland und irgendwann, nach vielen Fahrten mit dem Bus und weiteren Strecken zu Fuß, kam Samir Sargolzahi in Deutschland an – fiebrig. Die Bilder der Flucht wühlen den 29-Jährigen spürbar auf. Auch, als er erwähnt, wie sehr er die Mutter vermisst.
In Karlsruhe wird er in einem Flüchtlingscamp medizinisch versorgt. Seine zweite Station ist Mannheim, wo er innerhalb von sieben Monaten Deutschkenntnisse erwirbt. Von dort aus führt sein Weg ins Bottwartal. Die Gemeinde Oberstenfeld wird zu seiner Bleibe, und wie bei anderen Flüchtlingsgeschichten ist auch Samirs Schicksal eng verknüpft mit Mitbürgern, die ihm existenzielle Unterstützung schenken.
Schon nach zwei Tagen trifft Samir Sargolzahi auf Gerhard Knospe. Der junge Mann wollte eine SIM-Karte an einer Tankstelle kaufen. Doch das erwies sich als nicht ganz einfach. Die Angestellten verstanden ihn nicht. Knospe war mit dem Motorrad dort und half. Die Kontakte wurden ausgetauscht und bereits einen Tag später war der Iraner bei den Knospes zum Essen eingeladen. „Sie sind inzwischen wie Eltern für mich“, sagt der 29-Jährige voller Dankbarkeit.
Das Paar samt ihrer erwachsenen Kindern kümmert sich intensiv um Samir. Sein Deutsch wird immer besser – und dennoch bekommt Samir Depressionen. „Ich habe meine Familie und die Heimat so sehr vermisst“, erklärt er. Arbeit soll helfen, um aus dem Teufelskreis herauszukommen, doch die Ausländerbehörde macht ihm einen Strich durch die Rechnung. „Schule besuchen und Arbeiten gehen war verboten. Ich musste weiter lernen, um mit dem B1 Level in Deutsch abzuschließen.“
Nach der erfolgreichen Prüfung füllt Samir dreieinhalb Jahre lang Waren im Supermarkt auf. Er arbeitet als Fliesenleger, auf Baustellen und im Garten- und Landschaftsbau. Immer wieder gibt es Rückschläge. Im Oktober 2023 stürzt er – als er fachfremd eingesetzt wird – von einem Baugerüst. Unverständlich für ihn folgt die Kündigung . Die Schmerzen im Rücken nehmen schließlich zu und es folgt der nächste Schock: Bei Samir Sargolzahi wird ein Nierentumor diagnostiziert. Sein neuer Arbeitgeber habe ihm noch innerhalb der Probezeit gekündigt, als dieser von der unumgänglichen Krebsoperation erfuhr, erzählt er.
Die Ärzte entfernen einen bösartigen Tumor
Auch wenn seine Erfahrungen ihn bedrücken, ist Samir Sargolzahi dankbar. „Deutschland hat mich gerettet. Im Iran hätte ich sterben müssen. Hier wurde – gerade noch rechtzeitig – operiert und der bösartige Tumor entfernt.“ Im Krankenhaus, als reichlich Zeit zum Nachdenken war, traf Samir Sargolzahi eine Entscheidung: „Mir wurde klar, dass ich inzwischen so viele Fertigkeiten besitze, dass ich nicht mehr für andere arbeiten muss. Außerdem will ich dem Land, das mir so viel Gutes gab, so viel wie möglich zurückgeben – indem ich arbeite und Steuern zahle.“
Die Ausländerbehörde jedenfalls hat fürs Erste grünes Licht gegeben: Wenn der Jungunternehmer, der Arbeiten rund um Garten und Haus erledigt, in den kommenden sechs Monaten genügend Aufträge erhält, hat er die Chance, drei weitere Jahre in Deutschland zu bleiben.