Das Etagenklo ist in bemitleidenswertem Zustand. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Mieter eines völlig überteuerten Apartments in Bad Cannstatt können nicht auf Eigeninitiative der Stuttgarter Verwaltung setzen. Warum nicht und was sagt der Mietverein dazu?

Mit Empörung und Entsetzen haben Leser auf den Bericht unserer Zeitung über einen Fall von Mietwucher reagiert. Wie aus unseren Recherchen hervorgeht, hat ein Stuttgarter Vermieter ein Apartment, das sich in einem verwahrlosten Zustand befindet, zu weit überhöhten Preisen vermietet. Die Stadt hat auf unsere Recherchen reagiert und eine Kontrolle des Baurechtsamts angekündigt. Was den möglichen Mietwucher angeht, hat die Pressestelle vergangenen Dienstag mitgeteilt: „Die Ahndung von Mietwucher ist keine städtische Aufgabe. Der betroffene Mieter muss seine Interessen privatrechtlich durchsetzen.“

Stadt kann selbst aktiv werden

Dem widerspricht Rolf Gaßmann vehement. „Das ist eine Kapitulation der Stadt vor Wucherern und Profiteuren der Wohnungsnot. Wer soll denn ein Bußgeld verhängen, wenn nicht die Stadt? Der betroffene Mieter kann zwar Anzeige erstatten, aber die Stadt kann und sollte auch von sich aus tätig werden. Auch bei Verkehrsverstößen wartet der Ordnungsdienst nicht, bis eine private Anzeige vorliegt“, sagt der Vorsitzende des Stuttgarter Mietervereins. Laut dem Wirtschaftsstrafgesetz könne Mietpreisüberhöhung als Ordnungswidrigkeit behandelt und mit bis zu 50 000 Euro Bußgeld belegt werden. Gaßmann verweist außerdem darauf, dass bei Mietwucher laut Strafgesetzbuch sogar Haftstrafen möglich seien.

Die Stadt Stuttgart beharrt darauf, dass es Aufgabe des Mieters sei, eine überhöhte Miete bei der Stadt anzuzeigen. Bestätige sich, „dass eine Miete gemäß Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz überhöht ist, leitet die Stadt ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein“. Seit der Fall in Bad Cannstatt über unsere Berichterstattung bekannt geworden ist, kommt die Stadt zwar zu einer Beurteilung: „Bei der im Artikel erwähnten Wohnung ist ein vehementer Verstoß gegen das Mietrecht offensichtlich.“ Dass sie in Kenntnis dessen nun aus eigenen Stücken aktiv werden könnte oder wird, geht aus der Presseauskunft nicht hervor. Sie kündigt an: Sollte es sich um Mietwucher nach § 291 Strafgesetzbuch handeln, würde der Fall an die Staatsanwaltschaft übergeben.

Schwierige Beweisführung

Die Stadt räumt Schwierigkeiten bei der Ahndung von überhöhten Mieten ein. Der Mieter müsse nachweisen, dass er „gezwungen“ war, die Wohnung zu dem überhöhten Preis zu mieten. „Dies wird in der Praxis nicht gelingen“, der Paragraf sei „bei der derzeitigen Rechtsauffassung ein zahnloser Tiger“. Weil dies nicht allein ein Problem in Stuttgart, sondern in vielen Städten ist, werde die „Schärfung“ des Paragrafen derzeit auf Bundesebene diskutiert.

Wie berichtet, ist das präventive Vorgehen gegen überhöhte Mieten im Gespräch, zum Beispiel durch die Überprüfung von Verdachtsfällen bei Wohnungsinseraten im Internet. Das Thema soll noch vor der Sommerpause im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen behandelt werden. Den Bad Cannstatter Fall jedoch hätte dies nicht verhindert. Die Erfahrung der Baubehörde: „Solche Wohnungen werden nicht über die gängigen Internetportale angeboten.“