Michael Link hat schon viele Wahlen für die OSZE beobachtet – nun steht er vor seiner vermutlich größten Herausforderung. Foto: CHLietzmann/CHLietzmann

Gewinnt oder verliert Donald Trump rechtmäßig? Das Urteil des Heilbronner FDP-Bundestagsabgeordneten Michael Link wird die Antwort darauf beeinflussen – er ist zum Chef der OSZE-Beobachtermission für die Präsidentschaftswahlen bestimmt worden.

Berlin - Gemütlichkeit ist für ihn kein Fremdwort. Wer in den Weinbergen rund um Heilbronn sein erstes Taschengeld verdient hat, im eher französischen Stil auch mal mittags in Ruhe einen guten Tropfen genießt und sich neben seiner politischen Tätigkeit auch noch als Weinbotschafter seiner Heimat versteht, gehört im Berliner Regierungsviertel nicht unbedingt zu denen, die auf die schnelle Schlagzeile setzen, die am nächsten Tag schon wieder vergessen ist. Michael Link ist ein ausdauernder außenpolitischer Arbeiter, der anders als andere nicht ständig das Rampenlicht sucht.

Zumindest nicht im Inland. Im europäischen wie außereuropäischen Ausland dagegen hat die Stimme des FDP-Bundestagsabgeordneten Gewicht, kennen viele Akteure den ehemaligen Staatsminister im Auswärtigen Amt, der in der Zeit der schwarz-gelben Koalition seinem Parteifreund und Minister Guido Westerwelle diente und Deutschland im Brüsseler Rat der Europaminister vertrat. Als die Liberalen 2013 nicht nur aus der Regierung, sondern zwischenzeitlich auch aus dem Bundestag flogen, heuerte Link bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa an. Bei der OSZE wurde er Direktor der Abteilung ODIHR, der wichtigsten Organisation für Wahlbeobachtungen weltweit. Sein gutes Russisch half ihm dabei, auch die Wahlen gegenüber Moskau einzuordnen.

Mehr als 100 mal Wahlen beobachtet

Die Missionen, die ihn in dieser Zeit in alle Ecken des Planeten geführt haben, kann er kaum zählen. „Zwischen 100 und 200“, schätzt er rückblickend. An seine spannendsten und vermutlich auch wirkungsvollsten Einsätze kann er sich aber sehr wohl erinnern – das waren die Wahlen und das Verfassungsreferendum in der Türkei, mit dem Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seine macht ausgebaut hat – die Einschätzung von Links OSZE-Team, dass der Urnengang von Unregelmäßigkeiten begleitet war, hatte weitreichende politische Konsequenzen für die Einschätzung von Erdogans Position.

Nun aber steht Links größte Bewährungsprobe bevor, mehr denn je wird ihm die Aufmerksam der interessierten Weltöffentlichkeit gewiss sein: Die OSZE hat den 57-Jährigen zum Leiter ihrer Beobachtungsmission ernannt, die die Rechtmäßigkeit der amerikanischen Präsidentschaftswahl am 3. November überwachen soll. Eine solche Aufgabe wäre noch vor nicht allzu vielen Jahren eher eine Routineaufgabe gewesen, galten die USA lange Zeit doch als der Leuchtturm der Demokratie. Nun aber hat sich Präsident Donald Trump mehrfach geweigert, eine Anerkennung des Wahlergebnisses zu garantieren. Wegen der aus seiner Sicht missbrauchsgefährdeten Briefwahlmöglichkeit ist die Rechtmäßigkeit der Wahl damit ins Zentrum des Geschehens und von Überlegungen für die Zeit danach gerückt. Die Ergebnisse der Wahlbeobachtermission, die Link anschließend in Washington vorstellen wird, werden die US-interne Debatte sicher mitprägen – bei einem knappen oder umkämpften Ergebnis erst recht.

Die politisch mehr als heikle Lage, in die sich der europapolitische Sprecher der liberalen Bundestagsfraktion begibt, ist ihm nicht zuletzt aufgrund von zahlreichen US-Besuchen bestens bekannt. Mindestens zwei mal pro Jahr hat er vor der Corona-Pause die Staaten besucht, sich mit Demokraten wie Republikanern im US-Kongress ausgetauscht. Ein Fan von Trumps Politikstil ist er keinesfalls.

Jetzt ist Neutralität angesagt

Nun aber darf und will sich Michael Link nicht inhaltlich zu ihm oder seinem Konkurrenten Joe Biden äußern, als Wahlbeobachter ist er zu strikter Neutralität verpflichtet – es geht allein darum, ob amerikanische wie globale Standards eingehalten werden. „Als internationale Beobachter bringen wir keine vorgefassten Meinungen in unsere Arbeit ein“, sagte Link unserer Zeitung am Donnerstag, kurz nach der Bestätigung durch die OSZE: „Wir freuen uns darauf, der Einladung der US-Regierung vom März 2020 Folge zu leisten und diese wichtige Wahl beobachten zu können.“

Insgesamt 100 Parlamentarier werden rund um den weltweit mit Spannung erwarteten Wahltag vor Ort sein, darunter noch weitere aus dem Bundestag. Dazu kommt ein Team von 50 übers Land verteilten Wahlrechtsspezialisten der OSZE, die bereits im Einsatz sind und demnächst eine erste Einschätzung zu den Vorbereitungen liefern werden. Der große Auftritt nach der Wahl aber wird Michael Link aus Heilbronn vorbehalten sein.