Der Nürtinger CDU-Bundestagsabgeordnete Michale Hennrich sieht die unionsinternen Streitereien der vergangenen Monate kritisch. Diese Woche hat er eine Zwischenbilanz gezogen.
Kreis EsslingenDas war ein äußerst schwieriges Jahr – sowohl politisch als auch gesellschaftlich“, redet Michael Hennrich nicht lange um den heißen Brei herum. Er nennt die Probleme bei der Regierungsbildung und bedauert, dass die FPD aus den Koalitionsverhandlungen ausgestiegen ist. „Bei aller Wertschätzung für die SPD, Jamaika wäre gut gewesen“, sagt er. Dem Koalitionspartner zollt er großen Respekt für dessen Zurückhaltung bei der schweren Krise von CDU und CSU im Juni. „Das hat uns ordentlich durcheinandergewirbelt. Wir haben in den Abgrund geschaut. Ich hoffe, dass alle Beteiligten ihre Lehren daraus ziehen und wir nach der Sommerpause einen Neustart hinbekommen.“
Diesbezüglich ist er optimistisch, da die CDU in den vergangenen Wochen wieder Fuß gefasst und gute Debatten angestoßen habe wie die allgemeine Dienstpflicht oder die Organspende. „Es ist wichtig, dass wir die Akzente setzen und nicht irgendwelchen Gruppen hinterherlaufen“, sagt Michael Hennrich. Nachdenklich stimmt ihn jedoch, dass in der Gesellschaft ein gemeinsamer Grundkonsens nicht mehr da ist. „Das hat uns als Land in der Vergangenheit ausgezeichnet. Das, was die Gesellschaft zusammenhält, ist uns verlorengegangen“, bedauert er – dass Deutschland eine ähnliche Spaltung erlebt, wie sie in den USA schon seit Langem zu beobachten ist. „Es ist unser Job als Politiker, die beiden Pole wieder zusammenzuführen und einen Konsens hinzubekommen – und nicht einer Entwicklung hinterherzulaufen. Die CSU ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass es nicht funktioniert“, wird er deutlich.
Mit in der Verantwortung, die Gesellschaft wieder zu vereinen, sieht Michael Hennrich auch Justiz, Verwaltung und die Menschen selbst. „Man merkt, dass es auch um den institutionellen Rahmen geht, denn vieles, was passiert, geht an die Substanz des Rechtsstaats“, ist seine Sorge. Das Urteil beim Fall Sami A. hält er für schwierig, wenngleich er an der Gewaltenteilung nicht rütteln will. „Wir müssen über solche Dinge in Diskussion kommen und Debatten führen“, wünscht sich Hennrich.
Die AfD streift er nur kurz. Was in Chemnitz passiert sei, zeige, dass Barrieren gefallen sind. „Björn Höcke läuft an vorderster Front mit. Es wird zur Selbstverteidigung aufgerufen, das Gewaltmonopol des Staats und die Rechtsstaatlichkeit infrage gestellt – und ich sehe keine Distanzierung seitens der AfD“, sagt der CDU-Abgeordnete. Wer diese Partei als Denkzettel gewählt habe, solle einen Blick in die Geschichtsbücher werfen.
Seinen Wahlkreis hat Michael Hennrich stets im Blick. Die Breitbandversorgung sieht er auf einem guten Weg, ebenso wie die Verkehrsprojekte. Als Beispiel nennt er die Wendlinger Kurve. „Stuttgart 21 habe ich immer unter dem Gesichtspunkt Nahverkehr gesehen, um den Ringschluss hinzubekommen“,erklärt Michael Hennrich.
Wohnen und Bauen ist im Ballungsraumrund um Stuttgart ein brisantes Thema. Hier denkt Michael Hennrich quer und bringt neue Lösungsansätze ins Gespräch. „Man könnte relativ schnell an viele und große innerstädtische Flächen kommen, wenn die Landwirte ihre Grundstücke verkaufen. Doch bislang müssen sie vom Erlös 50 Prozent Steuern zahlen“, nennt er die Crux. Sein Vorschlag: Innerhalb eines bestimmten Zeitfensters die Bauern von der hohen Steuer befreien – ohne jedoch (Verkaufs-)Druck auszuüben. Die hohen Kaufpreise sind seiner Ansicht nach das Problem. „Wir haben Wohnraummangel und müssen das Angebot verändern“, so der Politiker. Er würde gerne für junge Familien und bei einem Ersterwerb die Grunderwerbsteuer abschaffen.
„Die Sozialpolitik ist ein Mega-Thema“, sagt Michael Hennrich und gesteht Fehler der Großen Koalition in der vergangenen Legislaturperiode ein. „Wir haben den Blick zu sehr auf die zu Pflegenden gerichtet, und dabei ist der Eindruck entstanden, dass wir das Pflegepersonal aus den Augen verloren haben.“ Obwohl sie kein Spitzeneinkommen erhalten, würden diese Menschen einen wichtigen Job machen.
Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz sei ein Signal gesetzt worden, wie wichtig dieser Beruf ist und dass die Politik ihn nicht aus den Augen verloren hat. Deshalb hält er die Diskussion um die allgemeine Dienstpflicht für nicht gelungen. „Das zeigt die mangelnde Anerkennung für die sozialen Berufen – quasi jeder Abiturient kann das einfach so leisten. Durch diese Diskussion werden die Jobs in der Pflege und anderen sozialen Bereichen diskreditiert“, kritisiert er.
Kreativität sei gefragt, Anreize für diese Berufe zu schaffen. „Es gibt super Vorschläge. Zum Beispiel: sieben Jahre voll in der Pflege arbeiten und dann ein Sabbatical bekommen.“