Im schnelllebigen Profibasketball ist Jacob Patrick eine Ausnahme. Der 20-Jährige könnte wohl in den USA spielen, entwickelt sich aber zum Gesicht der MHP Riesen Ludwigsburg. Er hat ein Zuhause gefunden – verrät aber auch, was ihn an der Stadt stört.
Als Jacob Patrick das Café am Ludwigsburger Marktplatz betritt, fangen die Kellnerinnen an zu tuscheln. Der Basketballer misst fast zwei Meter und hat strahlend blonde Haare – er fällt auf. Er werde in Ludwigsburg immer öfter erkannt und angesprochen, sagt der Basketballer, während er einen Latte macchiato bestellt. Noch könne er die Bekanntheit an seiner Person genießen, sagt Patrick. Besonders, wenn er Jugendspielern der Riesen Ludwigsburg eine Freude bereiten kann. Denn noch vor wenigen Jahren steckte Patrick selbst in deren Schuhen, träumte von der Basketball-Bundesliga und blickte zu den Profispielern auf. Dann kam die Pandemie und ein außergewöhnlicher Sprung nach vorn.
Der 20-Jährige ist mittlerweile zum Aushängeschild des Clubs geworden, prangt auf Plakaten in der ganzen Stadt, wird für die Nationalmannschaft nominiert, und glänzte beim Saisonauftakt gegen die Bayern am vergangenen Wochenende. Obwohl er zwischenzeitlich kurz davor war, die Barockstadt für die große Basketballbühne zu verlassen, hat Jacob Patrick in Ludwigsburg eine Heimat gefunden – an der er vieles, aber nicht alles, liebt.
MHP Riesen Ludwigsburg – Pandemie als Sprungbrett
Jacob Patrick wächst als Sohn des amerikanischen Basketballtrainers John Patrick in Göttingen auf. Von Kindesbeinen an wirft Jacob mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Johannes auf den Korb vor dem Haus. Er fiebert mit, als Dirk Nowitzki 2011 den NBA-Titel gewinnt und verfolgt seinen Lieblingsspieler LeBron James. „Ich habe zwischendurch auch mal Fußball gespielt, das hat mir aber nie so viel Spaß gemacht wie Basketball.“
2013 zieht Vater John nach Ludwigsburg, um die schwächelnden Riesen vor dem Abstieg zu bewahren, Jacob kommt erst zwei Jahre später hinterher. Schon zu dieser Zeit ist er gleichaltrigen voraus und spielt in der Riesen-Jugend mit zwei Jahre älteren Jungs in einem Team.
Es ist die Corona-Pandemie, die sich für Jacob Patrick als Sprungbrett herausstellt. Die BBL nimmt im Juni 2020 als eine der ersten Profiligen wieder den Betrieb auf, wegen der langen Pause fehlen jedoch einige Profis. Trainer John Patrick füllt den Kader mit Jugendspielern auf – darunter seine Söhne Jacob und Johannes. Ludwigsburg wird Vizemeister, Jacob Patrick zur Entdeckung der Finalrunde und zum Profi.
Jacob Patrick: Von den MHP Riesen in die USA
In der darauffolgenden Saison geht der Zehntklässler morgens in den Online-Unterricht, abends trainiert er mit seinen Idolen. Dieses „Doppelleben“ sei ihm nicht immer ganz leicht gefallen, sagt Patrick rückblickend. Er sei verkrampft an die Sache herangegangen, habe manchmal den Spaß am Spiel vergessen – „ich hatte Angst etwas falsch zu machen“. Druck vom Verein oder dem Team verspürte er jedoch nie, sagt er.
Jacob Patrick hat in Ludwigsburg Freunde, Familie und einen Verein, der ihn wertschätzt, dennoch kehrt er der Barockstadt im Sommer 2023 den Rücken. Er wechselt zur Virginia Commonwealth University, will sich in den USA beweisen und sich ins Blickfeld der großen NBA-Teams spielen. Das Projekt scheitert. „Ich hatte von Anfang an nicht das Gefühl, dass sich irgendjemand für mich interessiert.“ Er war anderes aus Ludwigsburg gewohnt und kehrte nach nur einem Monat und um eine Erkenntnis reicher zurück: „Ich mag die Leute hier und die Leute mögen mich.“ Das helfe seinem Selbstbewusstsein und letztendlich seinem Spiel.
Jacob Patrick denkt aktuell nicht ans Weiterziehen, er hat eine eigene Wohnung bezogen und genießt das Leben als Profisportler in seiner Heimatstadt. Jeden Tag fahre er zum Training am Schloss vorbei und sei immer wieder begeistert. „Ich mag den Vibe der Stadt, ich laufe häufig einfach mit Freunden herum.“ Am liebsten hänge er am Marktplatz ab und isst ein Eis. Sein Lieblingsort des Sommers sei jedoch der Favoritepark gewesen. Nirgends komme er besser zu Ruhe, sagt Patrick. Eigentlich habe er eine relativ normale Jugend, sagt Patrick, er müsse seine Kräfte nur besser einteilen als viele seiner Freunde. „Ich gehe auch feiern und trinke auch hin und wieder Alkohol – aber das ist schon eher die Ausnahme.“
Auf die Frage, was ihm an Ludwigsburg nicht gefalle, muss Jacob Patrick kurz überlegen. Der Anblick des Krankenhauses hinter dem Schloss störe ihn jedes Mal, wenn er mit dem Auto aus Eglosheim einfahre, sagt Patrick und lacht. Zudem sei das Parken in der Stadt zu teuer, sagt der 20-Jährige und gesteht, sich in den vergangenen Jahren schnell an den Komfort des eigenen Autos gewöhnt zu haben. Drittens sei ihm aufgefallen, dass die meisten Restaurants schon um 22 Uhr schließen. „Nach dem Training muss ich dann häufig auf Döner zurückgreifen.“
Immerhin ist dort die Wahrscheinlichkeit höher auf Nachwuchsspieler der Riesen zu treffen, die zu ihm aufschauen: Der Profi, der eine sportliche und persönliche Heimat in Ludwigsburg gefunden hat.
Zukunftspläne eines Youngsters
Nationalmannschaft
In diesem Jahr wurde Jacob Patrick erstmals für die deutsche Nationalmannschaft nominiert. Im Testspiel gegen Slowenien bekam der 20-Jährige seine ersten Einsatzminuten. Langfristig wolle er sich in den Kader der deutschen Nationalmannschaft spielen und bei großen Turnieren wie der WM und den Olympischen Spielen teilnehmen, sagt Patrick selbstbewusst.
Studium
Eine Profikarriere im Basketball ist endlich und die wenigsten können damit aussorgen, sagt Jacob Patrick. Deswegen will er im kommenden Jahre neben dem Profisport ein Fernstudium beginnen. Was er genau studieren will, wisse er noch nicht – Kommunikationspsychologie klinge interessant. Ob er damit seinem Vater und Trainer John Patrick nacheifert? „Eigentlich will ich nach meiner Karriere andere Welten kennenlernen, aber ich lasse mir das offen.“