Bei der Messerattacke in Würzburg wurden drei Menschen getötet. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Offenbar völlig unvermittelt sticht ein Mann mit einem Messer in Würzburg wahllos auf Passanten ein. Es gibt Tote und Verletzte. Passanten stellen sich dem Verdächtigen in den Weg. Die Tat ruft Erinnerungen an einen Anschlag vor knapp fünf Jahren in einer Bahn auf dem Weg in die Stadt wach.

Würzburg - Geschrei, Sirenen, Passanten in Angst: Die Szenen, die im Internet in kurzen Videosequenzen zu sehen sind, lassen erschaudern. Ein Mann taumelt am Freitagnachmittag durch die Würzburger Innenstadt. Er ist barfuß, in der linken Hand hat er ein langes Messer. Mit diesem soll er zuvor wahllos auf Passanten eingestochen haben. In einem Kaufhaus, in einer Bank, auf der Straße. Drei Menschen sind tot, es gibt „mehrere zum Teil schwer verletzte Personen, die im Krankenhaus behandelt werden“, sagt ein Polizeisprecher mehr als drei Stunden später.

Eines der fünf schwer verletzten Opfer ist nach Worten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ein kleiner Junge. Sein Vater sei wahrscheinlich getötet worden, sagt der CSU-Politiker am Abend in Würzburg. Nach Angaben der Ermittler ist der verdächtige Mann aus Somalia nicht wegen Straftaten polizeibekannt, die „Richtung Islamismus bisher hindeuten“.

Amoklauf? Anschlag? Tat eines Verwirrten?

Amoklauf? Anschlag? Tat eines Verwirrten? Stunden nach der Tat sind viele Fragen offen. Zahlreiche Pressevertreter warten vor einem Polizeibus auf Informationen. Viel sagen die Ermittler am Anfang noch nicht - nur eines ist sicher: Sie haben ihn. Die Polizei habe zwar schießen müssen, aber der Verdächtige sei gestoppt und dabei verletzt worden. „Der Täter ist in Würzburg wohnhaft, und er ist außer Lebensgefahr.“

Wieso er plötzlich zum Messer griff? Landesinnenminister Herrmann will nichts ausschließen, der Deutschen Presse-Agentur sagt er: „Es gibt jedenfalls Indizien dafür, dass es sich um einen islamistischen Anschlag handeln könnte.“ Ein Zeuge gab Herrmann zufolge an, der Verdächtige habe bei der Tat „Allahu Akbar“ (deutsch: Gott ist groß) gerufen. Der Somalier war laut Polizei schonmal gewalttätig und in psychiatrischer Behandlung. Zwangsweise, wie Herrmann konkretisiert.

„Wir müssen natürliche alle Erkenntnisse zusammentragen, die es irgendwo gibt“, sagt ein Ermittler. Das werde dauern. Der Verdächtige habe bei den Beamten zwar Angaben gemacht - doch was genau?

Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) weiß nur: Der Mann hat einen Migrationshintergrund, ist seit fünf Jahren im Land.

Gegen 17.00 Uhr kommt der Notruf bei der Polizei an: Messerangriff am Barbarossaplatz. Die Beamten rücken mit einem Großaufgebot aus, Teile der Innenstadt werden abgeriegelt. „Wir haben keinerlei Hinweise auf weitere Täter“, sagt ein Polizeisprecher später. Die Gefahr für die Bevölkerung sei vorüber.

Vor der Festnahme filmen Passanten den Verdächtigen

Vor der Festnahme filmen Passanten den Verdächtigen. Kurze Videos verbreiten sich vor allem in sozialen Netzwerken. Ein unbekannter Mann in blauem T-Shirt versucht, den Angreifer mit einem Besen zu überwältigen. Andere haben sich Holzstühle geschnappt - womöglich zur Verteidigung oder um den Täter in Schach zu halten. Ein Mann wirft eine Tasche in Richtung des 24-Jährigen, der zeitweise etwas verloren wirkt.

Oberbürgermeister Schuchardt ist beeindruckt von den couragierten Bürgerinnen und Bürgern. Er finde es unglaublich, dass diese Menschen so engagiert gehandelt und ihr eigenes Leben gefährdet hätten, sagt er.

Der Verdächtige trägt einen beige-braunen Pullover und eine dunkle Hose. Als er in einer Seitengasse verschwindet, laufen viele Passanten ihm hinterher. Man hört Polizeisirenen, ein Mann in einem roten Shirt winkt den Beamten zu und weist ihnen den Weg. Das Polizeiauto verschwindet in der Gasse. Wo genau die Beamten schließlich den Verdächtigen stoppen, der auf den Szenen mit Corona-Schutzmaske zu sehen ist, bleibt zunächst unklar. Die kurzen Filme decken sich mit der Beschreibung von Augenzeugen.

Über die möglichen Motive des Festgenommenen wird zunächst nichts bekannt. Am Abend sagt ein Sprecher des Generalbundesanwalts, die Ermittler wüssten noch nichts Näheres über den mutmaßlichen Täter - Gefährder, Extremist oder psychisch krank? „Wir versuchen nun natürlich, die Hintergründe der Tat schnellstmöglichst zu klären“, sagt der Polizeisprecher. „Wir müssen jetzt hoffen und beten, dass die Schwerstverletzten überleben“, meint Herrmann am Abend.

Keine fünf Jahre ist es her, als Würzburg wegen eines Anschlages eines 17-Jährigen mit einem Messer und einer Axt bundesweit in den Schlagzeilen ist. Am 18. Juli 2016 greift der junge Mann in einer Bahn bei Würzburg vier Menschen an und verletzt sie schwer. Der afghanische Flüchtling flieht anschließend zu Fuß, attackiert eine Spaziergängerin. Schließlich erschießen Polizisten den Mann. Die Tat reklamiert später die Terrormiliz IS für sich. Es ist der erste IS-Terroranschlag in Deutschland.