Das Landgericht Stuttgart muss nun entscheiden, ob der Täter schuldfähig ist. Foto: dpa/Marijan Murat

Am 25. Februar hat in Esslingen ein damals 31-Jähriger mit einem Messer auf einen Bekannten eingestochen. Jetzt muss er sich vor dem Landgericht Stuttgart wegen versuchten Mordes verantworten. Die Frage: Ist er schuldfähig?

Esslingen - Es ist 0.06 Uhr, als der 35-Jährige die Tür seines Ladens in der Ritterstraße abschließt. Seine beiden Bekannten – ein Mann und eine Frau – warten bereits auf ihn. Das Ziel ist der Esslinger Bahnhof, sie wählen den Weg über die Innere Brücke. Die drei hatten ein paar Bier getrunken. Es war die Nacht auf den 25. Februar dieses Jahres, kein Mensch ist zu sehen, laut Wetterbericht hat es etwa drei Grad. Sie schlendern die Straße entlang Richtung Postmichelbrunnen, kommen allerdings nur langsam voran, weil der eine Bekannte mit seinen Kopfhören beschäftigt ist und die andere an den dunklen Schaufenstern der Geschäfte klebt.

Es ist 0.10 Uhr. Der Ladenbesitzer und seine Bekannte befinden sich auf Höhe des Ein-Euro-Ladens auf der Inneren Brücke und unterhalten sich. Plötzlich fühlt der Mann ein Stechen an seiner rechten Flanke. Er glaubt, der andere Bekannte habe sein Kopfhörerproblem gelöst und nun zu ihnen aufgeschlossen. Doch als er sich umdreht, steht ein Anderer vor ihm – in der rechten Hand ein Messer, in der linken einen kleinen Hammer. Dann geht alles ganz schnell. Der Angreifer startet einen zweiten Versuch. Reflexartig wehrt sich der Ladenbesitzer, er hält ihn fest, bekommt einen Schlag mit dem Hammer ab, stößt den Bewaffneten von sich, sodass dieser zu Boden stürzt. Der etwa 50 Meter entfernte Kumpel bemerkt, dass vor dem Ein-Euro-Shop etwas Schlimmes passiert und rennt los. Unterdessen richtet sich der Angreifer auf und flüchtet. Später wird er sagen, Stimmen hätten ihm die Tat befohlen.

Opfer hatte eine Menge Glück

So schildert das 35-jährige Opfer die Geschehnisse jener Nacht vor dem Landgericht Stuttgart. Dort läuft zurzeit das Verfahren gegen den mutmaßlichen Täter. Er muss sich wegen versuchten Mordes verantworten. Weil der Angeklagte laut einem Gutachten an paranoiden Psychosen leidet, muss nun geklärt werden, ob er schuldfähig ist. Der Ladenbesitzer, der als Nebenkläger auftritt, hat laut eines Gerichtsmediziners großes Glück gehabt. Bei der Messerattacke zog er sich zwei Stichwunden an der rechten Flanke oberhalb der Hüfte sowie Verletzungen am rechten Arm zu. Dabei sei kein Organ oder Blutgefäß verletzt worden, sonst wäre er vermutlich gestorben. „Ich habe erst gemerkt, dass ich verletzt bin, nachdem der Täter weggerannt ist“, sagt der 35-Jährige im Zeugenstand.

Täter und Opfer kannten sich

Die Polizei nahm den 32-jährigen Tatverdächtigen kurze Zeit später fest. Er und der Geschädigte kennen sich seit Jahren. Es sei in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten zwischen ihnen gekommen, mit denen sich auch schon die Justiz beschäftigte. Beim Auftakt zu diesem Prozess wirkt der Angeklagte ruhig und recht friedlich. Er sei schon mehrere Male vom Opfer missbraucht und übers Ohr gehauen worden. In jener Nacht sei er an dem Ladenbesitzer vorbei gegangen und habe gehört, wie sich dieser mit der Bekannten über ihn unterhalten hätte. Daraufhin sei er ausgerastet. „Ich wollte ihn aber nicht töten. Stimmen haben mir befohlen, ihn zu verletzen. Deshalb habe ich nur auf seinen Arm gezielt.“ Das Messer traf allerdings zweimal den Oberkörper des Opfers.

Der Angeklagte wirft verschiedenen Menschen vor, ihm Drogen oder unbekannte Substanzen in seine Getränke gemischt zu haben. Der Geschädigte sei schuld an seiner Nierenerkrankung – bevor diese diagnostiziert worden sei, hätten sie zusammen getrunken. Auch vor der Messerattacke sei etwas in seinem Getränk gewesen. „Ich habe bosnischen Schnaps getrunken. Danach bin ich richtig aggressiv geworden“, erklärt er. Die Staatsanwaltschaft spricht sich für die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung aus. Der Prozess wird fortgesetzt.