Premierminister Kyriakos Mitsotakis hält die Sozialleistungen in Deutschland für einen Anreiz zur Sekundärmigration. Foto: dpa/Petros Karadjias

Der Migrationsdruck in Griechenland wächst. Ein neues Ziel der Schleuser ist die Insel Kreta. Aber auch die mögliche Rückführung von Migranten aus Deutschland macht der Regierung in Athen Sorge.

Die griechische Regierung schlägt Alarm. Nach Angaben des Ministeriums für Asyl und Migration kamen in den ersten acht Monaten dieses Jahres 29 457 Schutzsuchende auf dem Land- und Seeweg nach Griechenland. Das war ein Anstieg von 61 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Migrationsminister Nikos Panagiotopoulos rechnet infolge der Ausweitung der Kämpfe im Nahen Osten mit weiter steigenden Flüchtlingszahlen, vor allem aus dem Libanon. Panagiotopoulos erinnerte daran, dass der Libanon bereits vor den israelischen Angriffen etwa eine halbe Million syrische Flüchtlinge beherbergte.

Rückführungen gab es bislang kaum

Neben dem Nahostkonflikt, der neue Flüchtlingsströme auslösen könnte, treibt die griechische Regierung aber eine weitere Sorge um: Deutschland will mehr Asylsuchende in die Erstaufnahmeländer zurückschicken. Das würde vor allem Griechenland betreffen. Nach Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben im vergangenen Jahr 16 500 Menschen in Deutschland Asyl beantragt, obwohl sie bereits zuvor in Griechenland den Schutzstatus erhalten hatten.

Viele Migranten reisen aus den Erstankunftsländern am Mittelmeer nach Norden und beantragen erneut Asyl, weil sie dort mehr Sozialleistungen bekommen. Vor allem Deutschland gilt als attraktiv. Allerdings verstößt diese Sekundärmigration gegen die Dublin-III-Verordnung. Sie bestimmt, dass Asylanträge nur im Erstankunftsland gestellt werden dürfen. Nach dieser Verordnung könnte Deutschland Asylbewerber, die bereits in einem anderen Land Asyl erhalten haben, dorthin zurückschicken. In der Praxis funktioniert das aber nicht. Nach Angaben der Bundesregierung hat Deutschland im vergangenen Jahr Griechenland gebeten, 5523 Asylanten über die Dublinverordnung zurückzunehmen. Nur drei davon konnten zurückgeführt werden.

Rückführungen scheiterten in der Vergangenheit nicht nur, weil die griechischen Behörden bremsten. Auch deutsche Gerichte untersagten in vielen Fällen die Rückführung, weil Migranten in Griechenland angeblich menschenunwürdige Lebensumstände drohen. Aufhorchen ließ vor diesem Hintergrund jetzt eine Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel. Die Richter entschieden, dass jungen, gesunden und arbeitsfähigen Männern in Griechenland keine menschenunwürdige Behandlung drohe. Dort gebe es zwar Defizite, diese könnten junge Männer aber über Eigeninitiative bei der Suche nach Arbeit und einer Arbeit überwinden. In Griechenland fürchtet man, dass mit dem Urteil Rückführungen in größerem Stil möglich werden.

Kritik an deutschen Grenzkontrollen

Bereits vergangenen Monat kritisierte der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis Deutschlands Entscheidung, flächendeckende Grenzkontrollen einzuführen. Bei einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer in Wien ließ Mitsotakis durchblicken, dass er die umfangreichen Sozialleistungen in Deutschland für einen Anreiz zur Sekundärmigration hält. Es sei nicht seine Aufgabe, einem europäischen Mitgliedsstaat vorzuschreiben, welche Leistungen er anbietet, so Mitsotakis. Die Realität sei aber, „dass es heute Länder in Europa gibt, die nicht nur illegale Einwanderer anziehen, sondern auch Flüchtlinge, die in einem europäischen Land den Flüchtlingsstatus haben und sich, wie es ihnen zusteht, in einem anderen europäischen Land bewegen“. Das sei etwas, „das Deutschland selbst beschäftigen sollte“. Nach Darstellung der Regierung entsprechen in Griechenland die Leistungen für Flüchtlinge denen für eigene Bürger, wenn sie bedürftig sind. Mitsotakis sagte, man könne Griechenland nicht zumuten, Migranten mehr Sozialleistungen anzubieten als der eigenen Bevölkerung.

Die Regierung in Athen fordert seit Jahren ein gerechtes Verfahren zur Verteilung von Asylsuchenden innerhalb der EU und mehr EU-Finanzhilfen für den Grenzschutz.