Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni versucht, die Verantwortlichen in Brüssel von ihrer proeuropäischen Haltung zu überzeugen. Foto: dpa/Roberto Monaldo

Die erste Auslandsreise von Giorgia Meloni geht nach Brüssel. Das ist allerdings kein Zeichen ihrer Sympathie für die EU, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Mit großer Wehmut erinnert sich Brüssel an Mario Draghi. Der Italiener brachte sein Land als Premier nach turbulenten Jahren wieder in ruhige politische und wirtschaftliche Fahrwasser, doch diese Zeiten sind vorbei. Nun hat es die EU mit Giorgia Meloni zu tun und die Sorgen sind vielfältig. Grund dafür ist nicht nur die offensichtlich europafeindliche Einstellung der Chefin der ultrarechten Fratelli d’Italia. Sie macht zudem aus ihrer Faszination für die Ideen des Faschismus keinen allzu großen Hehl und ist im Wahlkampf durch fremdenfeindliche Hetze aufgefallen.

Eine rechte Phalanx in Europa

Kopfzerbrechen bereitet der Europäischen Union vor allem aber, dass sich Italien unter der neuen Premierministerin auf die Seite von Polen und Ungarn stellen könnte. Dort arbeiten die nationalistischen, populistischen und euroskeptischen Regierungen seit Jahren daran, den Rechtsstaat und damit die Demokratie auszuhöhlen. Nach sehr langem Zögern hatte sich Brüssel zuletzt endlich durchgerungen, Druck auf Warschau und Budapest auszuüben und Milliardensubventionen aus den EU-Geldtöpfen zu sperren. Ohne Unterstützung Italiens wird dieser mühsam vorbereitete Schritt allerdings sehr schwierig.

Bangen um die Reformprojekte Europas

Eine Phalanx aus Ungarn, Polen und Italien könnte auch andere wichtige Reformprojekte der Europäischen Union schon im Keim ersticken. Das gilt etwa für die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik oder auch bei der Liberalisierung des Freihandels, wo die Nationalisten auf Abschottung und Protektionismus setzen. Sorge herrscht auch darüber, dass in der Krise die Einigkeit der Union in Sachen Sanktionen gegen Russland in Gefahr geraten könnte.

Brüssel hat aus diesem Grund schon früh deutliche Signale in Richtung Rom gesendet, dass man vor allem aus der gefährlichen Entwicklung in Ungarn gelernt hat und bereit ist, die Werte der Europäischen Union früher und konsequenter zu verteidigen. Man habe die richtigen „Werkzeuge“, sollten EU-Richtlinien verletzt werden, ließ EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bereits kurz nach der Wahl wissen.

Italien ist auf Brüssel angewiesen

Diese drohenden Spannungen waren wohl auch das zentrale Thema beim ersten Besuch Giorgia Melonis in Brüssel. Hinter verschlossenen Türen dürfte der neuen starken Frau in Italien unmissverständlich deutlich gemacht worden sein, dass Brüssel in einigen Bereichen am längeren Hebel sitzt. Denn egal, wer in Rom die Macht hat, auf die Milliarden aus dem Corona-Fonds der EU ist jedes Land angewiesen. Dieses Geld fließt allerdings nur, wenn sich eine Regierung an die Regeln der Demokratie und des Rechtsstaates hält.