2,21 Meter groß, 2,41 Meter Armspannweite: Victor Wembanyama ist auch für Basketball-Verhältnisse ein körperlicher Riese. Foto: imago/JB Autissier

18 Jahre jung, noch kein NBA-Profi, und doch überstrahlt der 2,21 Meter große französische Basketballer Victor Wembanyama den NBA-Saisonstart. Warum viele Teams wegen des Teenagers so oft wie möglich verlieren wollen.

Wenn Basketball-Superstar Stephen Curry und seine Teamkollegen von den Golden State Warriors in der Nacht auf Mittwoch ihre Meisterschaftsringe für den Finalsieg im Juni in Empfang nehmen, ist das der inoffizielle Startschuss zur neuen NBA-Saison. Können die Warriors ihren fünften Titel in acht Jahren gewinnen? Wird LeBron James, mittlerweile 37 Jahre alt, mit den Los Angeles Lakers noch ein letztes Mal nach der Krone greifen? Wie stark sind die aufstrebenden Dallas Mavericks, die Milwaukee Bucks oder die Memphis Grizzlies?

Wo landet Victor Wembanyama im kommenden Sommer?

Alles Fragen, die in den kommenden 82 Saisonspielen und den anschließenden Play-offs beantwortet werden, die aber nur eine Handvoll der 32 NBA-Teams interessieren und die auf die Zukunft der Liga nur bedingt Einfluss haben werden. Der Rest der nordamerikanischen Basketball-Liga fragt sich: Wo landet Victor Wembanyama vor der dann folgenden Saison 2023/24?

Wembanyama ist ein 18-jähriger Franzose, unfassbare 2,21 Meter groß und gilt in der Szene als der nächste ganz große Megastar. Seine – auch für Basketball-Verhältnisse – immense Körpergröße kombiniert der Teenager mit Geschwindigkeit, Beweglichkeit und Wurfgenauigkeit, wie sie für gewöhnlich nur Aufbauspieler haben. Ein vergleichbares Gesamtpaket bietet in der NBA seit Jahren höchstens noch Ausnahmekönner Kevin Durant, der verglichen zum Franzosen allerdings „nur“ 2,08 Meter groß ist. Auch NBA-Legende Dirk Nowitzki ist mit 2,13 Metern Körpergröße deutlich kleiner als der viel gepriesene Franzose.

Richard Jefferson, Ex-Profi und -Teamkollege von LeBron James, hält Wembanyama für besser, als es James im gleichen Alter war. Der Ritterschlag aber kam vom König selbst. „Jeder wurde in den letzten Jahren als Einhorn bezeichnet, aber er ist mehr wie ein Alien“, sagte LeBron James über Wembanyama: „Er ist mit Sicherheit ein Generationentalent.“ Eine Saison noch spielt dieser Außerirdische bei den Metropolitans 92 aus Paris. Aber bereits jetzt macht sich die halbe NBA bereit, die beste Ausgangsposition für den Draft im kommenden Sommer zu haben. Und das bedeutet: verlieren um jeden Preis.

Für fast alle gilt: je schlechter, desto besser.

Die schlechtesten drei Vereine der Vorsaison haben die besten Chancen, in einem komplizierten Lotterieverfahren als erstes beim alljährlichen Draft aus dem Talentpool der NBA fischen zu dürfen. Lediglich die Titelkandidaten oder jene Teams, die sich nur noch ein, zwei Jahre von diesem Status entfernt wähnen, werden alles daran setzen, sich in dieser Saison für die Play-offs zu qualifizieren und sich damit jeder Chance berauben, Wembanyama im nächsten Sommer zu bekommen. Für alle anderen gilt: je schlechter, desto besser. Beim US-Sender ESPN prognostizierte ein namentlich nicht genannter Ligamanager: „Wir werden einen Wettlauf Richtung Tabellenkeller erleben wie noch nie.“

In jenem Keller befinden sich seit zwei Jahren Teams wie die Houston Rockets, die Detroit Pistons oder die Orlando Magic, wo auch das deutsche Ausnahmetalent Franz Wagner spielt. Diese einst so stolzen Clubs mit Meisterschaftsambitionen befinden sich inmitten eines mühevollen und für die Fans nur schwer zu ertragenden Neuaufbaus. Wirklich konkurrenzfähig wollen diese jungen Teams erst in zwei, drei oder gar vier Jahren werden. Bis dahin gilt es, so viele hochtalentierte Spieler wie möglich zu draften und zu entwickeln, immer verbunden mit der Hoffnung, einen Superstar der Zukunft zu formen. Verlieren ist dabei einkalkuliert, auch wenn dies dem „Produkt“ NBA-Basketball sicher nicht zuträglich ist.

Junge Teams werden zu Titelkandidaten

Die Verpflichtung Wembanyamas würde den mühevollen Prozess für jene Teams um Jahre beschleunigen und für alternde Mannschaften aus dem Mittelfeld der Liga in den kommenden Jahren wohl überflüssig machen. Seit LeBron James 2003 aus der Highschool in die NBA gewechselt war, galt unter Scouts und Experten kein Spieler mehr als derartige Lebensversicherung für die Zukunft seines Clubs wie jetzt der lange Franzose. „Junge Teams werden durch ihn sofort relevant, mittelklassige könnten zum Meisterschaftskandidaten avancieren“, prognostiziert John Hollinger, einst selbst General Manager in der NBA und heute Chefanalyst bei „The Athletic“.

Kürzlich war Wembanyama mit seinen Pariser Teamkollegen zu zwei Showmatches in die USA eingeladen. Und wie es sich für einen kommenden Superstar gehört, lieferte der 18-Jährige im hellen Scheinwerferlicht: In den beiden Begegnungen sammelte er 73 Punkte, 15 Rebounds, neun Blocks und traf bei 18 Versuchen 50 Prozent von der Dreipunktelinie. Er war Aufbauspieler, Vollstrecker und bester Verteidiger in einem. „Er kann einer der besten Spieler aller Zeiten werden“, meinte der Grieche Giannis Antetokounmpo staunend, der aktuell selbst zu den besten Basketballern der Welt zählt.

Wembanyama vergleicht sich mit niemandem

Will er auf dem Court eine Mischung aus Michael Jordan, LeBron James und Dirk Nowitzki werden? Wembanyama vergleicht sich mit niemandem. Sein Ziel ist es, „etwas zu sein, was ihr noch nie erlebt habt“. Ein echter Außerirdischer eben.