Ausgesetzt, krank, verletzt – in Baden-Württemberg brauchen immer wieder Meerschweinchen Hilfe. Ein Verein kümmert sich – die Zentrale ist in Ostfildern-Kemnat.
Es ist erst wenige Wochen her, dass die große blaue Kiste entdeckt wurde. Darin: Einstreu, ein Holzhäuschen, zwei Plastikblumentöpfe – und zwei dunkle Meerschweinchen. Anfang Mai wurde die Tierrettung Mittlerer Neckar zum Parkplatz des Friedhofs Weiler Park im Ostfilderner Stadtteil Parksiedlung gerufen. Jemand hatte die beiden Tierchen ausgesetzt und sich selbst überlassen. Julia Ries und Wolfram Tröster schwillt bei solchen Meldungen der Kamm. Sie widmen sich im Ehrenamt genau solchen Fällen – und wollen sie verhindern. Die 34-Jährige aus Aichtal ist die Vorsitzende der Meerschweinchenhilfe, der 58-Jährige aus Stuttgart-Hoffeld ist ihr Stellvertreter.
Der Verein hat sich ein Ziel gesetzt: Meerschweinchen, die in Not geraten sind, aufzunehmen, zu pflegen und dann idealerweise per Schutzvertrag weiterzuvermitteln. Aufgepäppelt werden die Tierchen in mehr als zehn Pflegestellen. Der Verein befindet sich im Jubiläumsjahr. Er wurde vor 25 Jahren gegründet, seinerzeit in Leinfelden-Echterdingen. Heute sitzt er offiziell in Ostfildern-Kemnat. Das Einzugsgebiet ist groß. Tätig sind die Ehrenamtlichen in ganz Baden-Württemberg, ihr Schwerpunkt liegt allerdings in der Region Stuttgart und im Raum Karlsruhe. Und die Arbeit wird benötigt. „Letztes Jahr haben wir etwa 120 Meerschweinchen vermittelt“, sagt Wolfram Tröster, hinzu kämen etwa zehn Patentiere pro Jahr, die nicht weitergegeben werden könnten.
Manchen wird die Haltung zu teuer
Vier solcher Patentiere mit Handicap leben dauerhaft bei Wolfram Tröster in einem weitläufigen Gehege mit vielen Höhlen und Rampen. Viss und Taddy leiden an Mykoplasmose, einer bakteriellen Infektionskrankheit, Romy kam mit einem Ballenabszess, „und Mister Bean ist der Haremsverwalter“, sagt er lachend. Die Gründe, warum sich Menschen von ihren Meerschweinchen trennen, sind vielseitig. „Wir hatten Leute, die ihre Tiere abgeben aufgrund von steigenden Kosten“, erklärt Julia Ries, seien es Tierarzt- oder Gemüsekosten. Ein Meerschweinchen allein brauche etwa 100 bis 200 Gramm Frischfutter am Tag. Das summiert sich. Allergien würden häufig geltend gemacht. Mitunter werde auch das letzte verbliebene Tier einer Gruppe abgegeben, denn Meerschweinchen sind gesellig und sollten nie allein gehalten werden.
Wolfram Tröster betont: „Uns ist es lieber, wenn die Leute sich bei uns melden und die Tiere nicht aussetzen.“ Deswegen sei die Aufnahme auch kostenfrei, um die letzte Hürde zu nehmen. „Unsere Aufgabe ist aufzuklären“, sagt Julia Ries. So seien Meerschweinchen keine Kuscheltiere und nicht für kleine Kinder geeignet.
Im Jubiläumsjahr freut sich die Meerschweinchenhilfe über regen Zulauf. 215 Mitglieder sind es zurzeit, und „alle zwei Wochen kommt ein neuer Mitgliedsantrag“, sagt Wolfram Tröster. Julia Ries glaubt, dass Social-Media-Beiträge und eine neu gestaltete Homepage die Leute überzeugen. Sie freut sich darüber, denn Meerschweinchen seien im Vergleich zu Hunden oder Katzen Underdogs, stünden nicht so im Fokus und erfreuten sich nicht so großer Sympathien. Entsprechend fällt ihre Antwort aus, wenn man sie fragt, warum sie sich für die Meerschweinchenhilfe engagiert. „Weil es sonst keiner macht. Viele konzentrieren sich auf Hunde und Katzen.“
Bis zu 30 000 Euro Tierarztkosten pro Jahr
Die Meerschweinchenhilfe finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und vor allem auch über Spenden. Bei Tierheimfesten in der Region werben die Ehrenamtlichen regelmäßig für sich und ihre Arbeit, verkaufen mitunter auch Zubehör oder Ratgeber. Aktuell arbeiten die Ehrenamtlichen an einem neuen Büchlein. Zuletzt sei das Spendenaufkommen aber deutlich gesunken – bei gestiegenen Kosten. Bei vielen Tieren, die abgegeben würden, zeigten sich nämlich Krankheiten. Durch Behandlungen und auch Kastrationen entstünden dem Verein Tierarztkosten in Höhe von etwa 25 000 bis 30 000 Euro pro Jahr. „Es ist durch die finanzielle Belastung anstrengend“, sagt Wolfram Tröster über seinen Job im Tierschutz. Doch die Arbeit wird den Meerschweinchenrettern wohl nicht ausgehen. Julia Ries sagt: „Die Sommerferien kommen bald.“
Die Meerschweinchenhilfe im Tierheim
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Die Mitglieder der Meerschweinchenhilfe nehmen regelmäßig an Tierheimfesten teil, um über ihre Arbeit zu informieren und Spenden zu akquirieren. Einige der nächsten Termine, wo sie anzutreffen sind: am 6. Juli von 11 bis 17 Uhr im Tierheim Reutlingen und am 7. September von 11 bis 17 Uhr beim Sommerfest des Tierschutzvereins Böblingen.
Feste
Weitere Tierheim-Feste in der Region: Das Sommerfest im Tierheim Filderstadt findet am 29. Juni statt, das Inselfest, an dem sich unter anderem der Tierschutzverein Esslingen beteiligt, steigt in diesem Jahr am 15. Juni.