Ist bei den Stuttgarter Kickers richtig gut angekommen: Geschäftsführer Matthias Becher. Foto: Baumann

Ein halbes Jahr hat Matthias Becher als Geschäftsführer der Stuttgarter Kickers hinter sich. Im Interview zieht er ein Zwischenfazit und beantwortet auch die Frage: Wie lange können die Blauen ohne Zuschauereinnahmen noch durchhalten?

Stuttgart - In schwierigen Zeiten hat Matthias Becher das Amt des Geschäftsführers bei Fußball-Oberligist Stuttgarter Kickers übernommen. Bereut hat es der 33-jährige bisher nicht. Im Gegenteil: Den ehemaligen Hockey-Nationaltrainer begeistert die Zusammenarbeit auf allen Ebenen in einer familiären Atmosphäre.

Herr Becher, zuletzt haben der Sportliche Leiter Lutz Siebrecht und Trainer Ramon Gehrmann ihre Verträge verlängert. Ist das in Ihrem Fall auch nötig?

Nein, ich habe fest vor, langfristig bei den Stuttgarter Kickers zu bleiben. Ich bin hier richtig gut angekommen und habe nicht vor, schon wieder um- und weiterzuziehen.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit nach einem halben Jahr aus?

Ich bin total froh, Teil dieses Vereins zu sein. Ich war optimistisch, als ich zu den Kickers gekommen bin, aber meine Erwartungen sind sogar übertroffen worden. Vor allem dieses Miteinander fasziniert mich. Und zwar auf allen Ebenen. Das beginnt auf der Geschäftsstelle, geht in der Abstimmung mit dem Präsidium und der sportlichen Leitung in der ersten Mannschaft und im Nachwuchsleistungszentrum weiter und hört in der Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen auf.

Was hat sie am meisten überrascht?

Als positivsten Aspekt empfinde ich tatsächlich diesen familiären Charakter, diese Herzlichkeit.

„Fußball ist eine andere Welt“

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Das waren Sie doch bestimmt vom Hockey gewohnt?

Das stimmt. Doch der Fußball ist eine andere Welt, diese Erfahrung konnte ich ja auch bei meiner Tätigkeit bei der TSG Hoffenheim sammeln. Aber ich habe immer wieder von dieser Kickers-Familie und der Atmosphäre in diesem Club gehört und gelesen – und das hat sich dann auch bestätigt.

Kein Wunder, bei den Blauen sind Sie in der fünften Liga gelandet.

Das ist mir schon klar. Doch wir arbeiten hier auch unter professionellen Bedingungen. Nicht nur mit unserer Oberligamannschaft, sondern auch im Nachwuchsleistungszentrum.

Große Reichweite

Wo liegt der größte Unterschied zum Hockey?

Mit den Stuttgarter Kickers steht man auch in der fünften Liga weitaus mehr in der Öffentlichkeit. Welche Reichweite man mit diesem Verein generieren kann, zeigte die Fair-Play-Aktion unseres Trainers Ramon Gehrmann. Hinzu kommt diese Leidenschaft, die man mit den Blauen entfachen kann. Es wird gejubelt, getrauert ...

...und auch gespendet?

Zum Glück. Mit der Crowdfunding-Aktion im Zusammenhang mit einer neuen Flutlichtanlage im ADM-Sportpark kamen innerhalb von vier Wochen 53 000 Euro zusammen. Das hat mich tief beeindruckt.

Unsicherheit nervt

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Das letzte Heimspiel fand am 17. Oktober 2020 statt. Wann es weitergeht, steht in den Sternen. Wie lange halten die Kickers ohne Einnahmen durch?

Ich schließe mich da den Worten unseres Präsidenten an: Die Kickers wird es auch in der nächsten Saison noch geben. Aber klar ist diese Unsicherheit nervend. Positiv erwähnen möchte ich allerdings, dass wir auch durch den WLSB mit der Soforthilfe Sport und der Stadt eine hilfreiche Unterstützung erfahren haben.

Das dürfte nicht reichen?

Unsere Präsidiumsmitglieder haben persönlich mit sehr vielen unserer Sponsoren Kontakt aufgenommen, die Rückmeldungen sind unterschiedlich. Manchen Unternehmen geht es gut, manchen nicht so gut. Das wirkt sich entsprechend auf die Unterstützung für die Kickers aus. Aber wir sind guter Hoffnung.

Mehrgleisige Planung

Wie planen Sie konkret?

Mit Plan a, b, c.

Das heißt, Saisonabbruch und ein weiteres Jahr Oberliga, weiterspielen und Nichtaufstieg sowie weiterspielen und Aufstieg?

Ja, genau. Wobei es auch noch eine Rolle spielt, ob wir nur die Hinrunde zu Ende spielen können oder auch noch eine Aufstiegsrunde.

Herzenssache Hockey

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Haben Sie persönlich in dieser spielfreien Coronazeit nicht noch Kapazitäten, um etwa beim HTC Stuttgarter Kickers in irgendeiner Form Ihrer Hockey-Leidenschaft nachzugehen?

Damit kein falscher Verdacht aufkommt: Wir drehen derzeit ganz und gar nicht Däumchen. Es gibt sehr viele Abstimmungsrunden mit Blick auf die neue Saison, die losgelöst von einer Spieltagshektik leichter fallen. Zudem wollen wir Prozesse optimieren, zum Beispiel Rechnungen per Mail und nicht per Post zu verschicken. Von daher stecke ich alle Energie in meine neue Aufgabe. Aber klar, das Hockey liegt mir am Herzen und es ist nicht abwegig, dass ich auch mal dort unterstütze.

Ihr größter Wunsch fürs nächste halbe Jahr?

Uns allen möglichst viel Gesundheit – was gleichzeitig bedeuten würde, dass wir die Saison sportlich erfolgreich zu Ende bringen. Da wir das nur bedingt beeinflussen können, gilt es die entsprechenden Stellschrauben zu drehen.