Die Maskenpflicht im Unterricht könnte zurückkommen. Foto: picture alliance/dpa/Oliver Dietze

In Stuttgart steigen die Coronazahlen binnen weniger Tage massiv an. Besonders Schulen sind betroffen. Die Stadt prüft Gegenmaßnahmen. Kommt es wieder zur Maskenpflicht im Unterricht?

Stuttgart - Noch am Montag schien die Corona-Welt einigermaßen in Ordnung in der Landeshauptstadt. Da berichteten im Rathaus Vertreter des Gesundheitsamts dem Sozialausschuss, dass die Lage trotz steigender Inzidenzen gut im Griff sei. Für die Rückkehr zur Maskenpflicht im Schulunterricht etwa sehe man angesichts dort sinkender Fallzahlen keine Veranlassung. So schnell kann sich die Welt ändern. „Das war der Stand vom Wochenende“, heißt es jetzt im Rathaus. Inzwischen sieht die Situation ganz anders aus.

„Wir haben in Stuttgart derzeit 2277 mit Covid Infizierte. Das ist der Höchststand während dieser Pandemie“, sagt Sprecher Sven Matis. Die Inzidenz ist auf 168 gestiegen, sie hat sich binnen zehn Tagen fast verdoppelt. Zuletzt haben sich jeden Tag über 200 Menschen angesteckt. Wo die Leute sich infizieren, ist im Großteil der Fälle unbekannt.

Hohe Inzidenzen bei Kindern

Besonders drastisch hat sich die Einschätzung bei den Kindern und Jugendlichen geändert. Während man bei Kitas noch davon spricht, die Situation sei angesichts stabiler Zahlen unter Kontrolle, ist inzwischen jeder zehnte Neuinfizierte ein Schüler oder eine Schülerin. Inzwischen sind 78 Schulen betroffen, dort gibt es insgesamt 215 Infizierte. Neun Schulklassen mit 217 Schülerinnen und Schülern befinden sich derzeit in Quarantäne. Den größten Anstieg gibt es bei den Zehn- bis 19-Jährigen. Dort ist die Inzidenz binnen einer Woche von 211 auf 378 gestiegen. Bei den Sechs- bis Neunjährigen war sie erst von 414 auf 179 gesunken, um jetzt binnen kürzester Zeit wieder auf 304 in die Höhe zu schießen.

Besonders betroffen ist nach Informationen unserer Zeitung eine Stuttgarter Waldorfschule. Dort soll in einer Klasse eine zweistellige Zahl an Schülerinnen und Schülern infiziert sein. Bei der Stadt will man sich offiziell nicht zu dem Fall äußern. „Es gibt an einzelnen Schulen relevante Ausbrüche“, heißt es dort nur.

Krankenhäuser stark belastet

Im Gesundheitsamt macht man sich angesichts der Entwicklung Sorgen. „Die vierte Welle wächst weiter an. Die Zahlen ähneln denen vom Oktober 2020“, sagt der Leiter Stefan Ehehalt. Diese Entwicklung sei nicht überraschend: In der kälteren Jahreszeit verlagere sich das Leben in die Innenräume. „Aktuell erkranken drei von hundert positiv Getesteten in Stuttgart so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen. Es steht zu befürchten, dass die Belastung der Krankenhäuser und vor allem des Personals weiter deutlich zunimmt“, sagt er. Es sei an jedem einzelnen, unnötige Kontakte zu vermeiden, sich an die Corona-Regeln zu halten und sich impfen zu lassen.

Zunehmend besorgt über die Lage äußern sich besonders Eltern. „Wir haben den Eindruck, dass unsere Kinder nicht mehr genug geschützt werden“, sagt etwa die Mutter einer Grundschülerin. Zunehmend beobachte man Coronafälle überall, auch in der eigenen Klasse, im Sportverein und anderswo, ohne dass wirklich etwas dagegen unternommen werde. „Die Kinder können sich nicht impfen lassen und werden jetzt der Durchseuchung preisgegeben“, kritisiert sie. Und sie weist die häufig wiederholte Beruhigung, Kinder erkrankten in der Regel nicht schwer, zurück: „Wir kennen diverse Familien, wo auch kleine Kinder hohes Fieber bekommen haben. Andere haben die Eltern angesteckt, die dann trotz Impfung schwer krank geworden sind.“

Riesensprung bei Ungeimpften

Auffällig ist ein massiver Anstieg auch bei den Ungeimpften. Während die Inzidenz bei Geimpften binnen einer Woche von 48 auf 62 gestiegen ist, ging es bei Ungeimpften von 183 auf 312. Am meisten betroffen waren junge Menschen zwischen 20 und 29 Jahren.

Unabhängig von der Warnstufe des Landes, die wohl in den nächsten Tagen erreicht wird, überlegt man nun bei der Stadt weitere Maßnahmen. „Wir befinden uns bereits in Abstimmung mit dem Land“, sagt Matis, der betont, dass die Entwicklung so ähnlich auch in der Region und landesweit aussehe. Man könne im Zweifel auch über die Maßnahmen der Warnstufe hinausgehen. Man werde die Herbstferien in der nächsten Woche nutzen, um sich darüber klar zu werden, was etwa in den Schulen notwendig sei. Das könnte auch die Wiedereinführung der Maskenpflicht im Unterricht sei, heißt es.

So grundlegend kann sich die Einschätzung zwischen Montag und Donnerstag ändern. Und es zeigt sich: Das Virus bleibt selbst für die Experten unberechenbar.