Die Maschinenbaufirma Zimmermann verhält sich trendwidrig: Sie verzeichnet für 2024 eine Erfolgsbilanz. Ihre Präzisionsfräsmaschinen treffen auf weltweite Nachfrage – in Zeiten der Automobilkrise vor allem in der Luft- und der boomenden Raumfahrtindustrie.
Sie sind selten geworden, die guten Nachrichten aus dem Maschinenbau in der Region. Hier kommt eine: Die Firma Zimmermann, ein mittelständischer Betrieb, international aufgestellt, aber mit Sitz in Neuhausen, hat das Jahr 2024 mit einem sehr gutem Ergebnis abgeschlossen. Vor allem die Woche vor Weihnachten hat den Auftragseingang raketenmäßig nach oben katapultiert – was in diesem Fall nicht nur ein Sprachbild, sondern ein Sachverhalt ist. Vor allem dank eines Großauftrags aus der Raumfahrtindustrie habe Zimmermann allein in jener Woche ein Viertel des gesamten Jahresumsatzes verbucht, sagt Frieder Gänzle, der Geschäftsführer des inhabergeführten Familienunternehmens.
Mit 40 Millionen Euro gibt er den aktuellen Umsatz an, deutlich mehr als in den Vorjahren – und: „Tendenz steigend“. Bereits gut gefüllt seien die Auftragsbücher für 2025, einige Aufträge reichen schon ins Jahr 2026. Dieser Höhenflug ist nicht selbstverständlich, in den Coronajahren musste Zimmermann 50 bis 60 Prozent Umsatzverlust kompensieren. „Die Pleite war nicht mehr ganz fern“, blickt Gänzle zurück.
Lieber blickt der 36-Jährige natürlich voraus auf die jetzige und künftige Erfolgsgeschichte. Womit Zimmermann sie schreibt? Mit Portalfräsmaschinen. Die sehen aus wie ein fahrbarer römischer Triumphbogen, der eine flache Bahn zwischen seine Pfosten nimmt und über sie samt dem zu bearbeitenden Material mit dem Fräskopf darüberrollt. Die Apparate können groß wie ein kleines Apartment sein, technologisch höchst anspruchsvoll, da mit einer Präzision im Mikrometerbereich gefräst wird.
Wer braucht so etwas? Zum Beispiel die Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie beziehungsweise deren Zulieferer zur Oberflächenbearbeitung von Bauteilen, etwa Flügeln. Zimmermann profitiert dabei von seiner internationalen Kundschaft und seiner branchenübergreifenden Ausrichtung, denn im Automotive-Bereich allein läuft derzeit regional wie global nicht viel.
Den Coup Ende 2024 landete man beim deutschen Zulieferer eines privaten US-Raumfahrtkonzerns. Dessen Namen verschweigt Gänzle diskret. Offen ist er bei der Situationsanalyse: „Die Zahl der Raketenstarts ist exorbitant gestiegen – ein echter Wachstumsmarkt.“ Das „Space Race“, die rasante Industrialisierung des Alls, berge aber auch Probleme: „Da oben fliegt inzwischen so viel herum, auch Weltraumschrott, dass in zehn Jahren vielleicht gar nichts mehr geht. Da braucht es Regulierung“, sagt Gänzle, der zugleich die bürokratische Regulierung in Deutschland beklagt. Schlagendes Beispiel: „Für den Transport einer unserer Maschinen mit Überbreite zum Hamburger Hafen brauchte der Spediteur von jedem einzelnen Landkreis auf der Strecke eine Sondergenehmigung. Das kostet viel Zeit.“ Und Lieferzeiten seien „zunehmend wettbewerbsrelevant“, ergänzt Marketingleiterin Sandra Bayer Teixeira.
Trotzdem hält die Firma Zimmermann am Standort Neuhausen und an der Zusammenarbeit mit zu 90 Prozent regionalen Zulieferern fest. Im US-Bundesstaat Michigan und in Peking unterhält man zwar Vertriebs- und Service-Niederlassungen, aber „Entwicklung und Fertigung bleiben in Neuhausen“, erklärt Gänzle. Zumal der hiesige Fachkräftemangel mittlerweile seinen Höhepunkt überschritten habe: „Seit ungefähr einem halben Jahr finden wir wieder deutlich schneller qualifizierte Leute – abgesehen von speziellen Tätigkeiten, bei denen man viel und lang unterwegs ist.“
Trumps Zolldrohungen schrecken Zimmermann nicht
Allerdings räumt Gänzle ein: Unter veränderten Umständen – zum Beispiel wenn Donald Trump seine Zollschranken schließt – könne es „sinnvoll sein, die Wertschöpfung in die USA zu verlagern“. Geplant in der Richtung ist nichts. Gänzle rechnet zwar aufgrund des amerikanischen Handelsbilanzdefizits mit der Einführung von Zöllen auf dem für Zimmermann eminent wichtigen US-Markt. „Aber es ist nicht sicher, ob sie den Maschinenbau treffen“. Selbst wenn: „In unserer Nische gibt es keine lokalen Wettbewerber in den USA.“ In China schon, aber „wir haben in puncto Präzision und Qualität immer noch einen deutlichen Vorsprung“. Die chinesische Regierung übe jedoch Druck auf einheimische Unternehmen aus, einheimische Anbieter zu bevorzugen.
Märkte brechen weg, andere kommen zurück
Überhaupt sind die zunehmend volatilen politischen Verhältnisse für jeden Global Player eine Herausforderung, wie das Beispiel Russland zeigt. 2019 sagte Gänzle in einem Interview mit dem Fachmedium Metallhandwerk & Technik noch: „Zudem denke ich, dass Russland für uns auch sehr wichtig sein kann. Das hängt natürlich immer auch von politischen Faktoren und Entwicklungen ab, die wir genau beachten müssen.“ Dann kam der Überfall auf die Ukraine. Damit hat der zweite Satz aus dem Gänzle-Zitat den ersten widerlegt: Die politische Entwicklung sabotierte die Marktchancen.
Die Unsicherheit und das Schwanken der nationalen Märkte bietet aber auch eine Chance, sich durch eine Art geostrategische Mischkalkulation von Abhängigkeiten zu befreien: Märkte brechen weg, andere kommen zurück. „Aus Großbritannien hatten wir infolge des Brexit lang keine Aufträge. Ich glaube, dass dort die nächsten Jahre einiges läuft“, sagt Gänzle. Auch Indien biete viel versprechende Perspektiven.
Ebenso wolle man sich branchenmäßig breiter aufstellen. Die Halbleiterindustrie etwa brauche „hohe Präzision. Aus China haben wir da einen schönen Auftrag bekommen.“ Weil sowohl Auto als auch Luftfahrt unter Öko-Vorbehalt stehen, lotet Gänzle die Möglichkeiten aus, mit Herstellern von Schienenfahrzeugen ins Geschäft zu kommen: „Wir haben noch keinen nennenswerten Marktanteil, bleiben aber dran.“ Beim Produktportfolio hat man 2023 durch die Übernahme des Frickenhausener Herstellers EiMa das Segment erweitert um leichtere, kleinere und kostengünstigere Maschinen ohne Höchstpräzisionsanforderung.
Der Schlüssel zum Erfolg ist antizyklisch
Für Frieder Gänzle ist nicht nur der Erfolg seiner Firma antizyklisch, sondern antizyklisches Verhalten der Schlüssel zum Erfolg: „Trotz strengem Kostenmanagement haben wir in der Corona-Zeit viel in die Entwicklung investiert.“ Dafür hält man sich jetzt zugute, technologisch die Nase vorn zu haben – auch darin antizyklisch, nämlich zu Deutschland, das „in vielen Bereichen nicht mehr wettbewerbsfähig“ sei, findet Gänzle. Der Politik schreibt er ins Stammbuch: „Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Es müssen aber Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit er profitabel wirtschaften kann.“
Zimmermann in Zahlen
Standorte
Der Hauptsitz der Firma Zimmermann ist in Neuhausen, ein früheres Werk in Denkendorf wurde aufgegeben. Die 2023 übernommene Firma EiMa in Frickenhausen soll perspektivisch ins Stammwerk integriert werden. Service-Niederlassungen werden im US-Bundesstaat Michigan und in Peking betrieben.
Mitarbeiter
Weltweit hat die Firma knapp 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Großteil von ihnen arbeitet in Neuhausen.
Investitionen
Auf dem Neuhausener Firmengelände mit 17 000 Quadratmetern Nutzfläche sind Investitionen in die Gebäude und die technische Infrastruktur geplant: etwa zum Ausbau der IT oder zur Installation einer großen Krananlage mit hoher Nutzlast. Außerdem soll eine Photovoltaik-Anlage eingebaut werden.