Bernd Riexinger nimmt sich der griechischen Sache an. Foto: /Rainer Hauenschild

Am Samstag wird in der Innenstadt an die Pontier erinnert, die einst verfolgt und von der Schwarzmeerküste vertrieben wurden.

Stuttgart wird immer mehr zum Mittelpunkt der in Deutschland lebenden Griechen. Das liegt an den derzeit rund 15 000 Menschen in der Stadt, die den entsprechenden Pass haben. Tendenz steigend. Der prozentuale Anteil der Einwohner mit griechischer Staatsangehörigkeit an der Gesamtbevölkerung ist in Stuttgart landesweit am höchsten. Für eine Sonderstellung sorgen aber auch die vielen griechischen Vereine in der Region, die regelmäßig Großveranstaltungen auf die Beine stellen. Im vergangenen Oktober wurde unter anderem mit einer großen Parade am Hauptbahnhof das 200-Jahr-Jubiläum der griechischen Unabhängigkeit gefeiert. Das griechische Staatsfernsehen war live dabei.

„Wenn die Medien in Athen eine griechische Einschätzung aus Deutschland brauchen, dann melden sie sich in Stuttgart“, sagt Konstantinos Kachrimanidis. Der Informatiker aus Weilimdorf ist gerade selbst ein gefragter Gesprächspartner, was nicht allein mit seinem Engagement für den griechischen Trachten- und Volkstanzverein Estia zu tun hat. Kachrimanidis hat im Laufe der Zeit mit einigen anderen Landsleuten den Job eines Machers für die griechische Sache übernommen. Zusammen haben sie viel in Bewegung gebracht.

An diesem Samstag (21. Mai) findet in Stuttgart eine Veranstaltung statt, die Konstantinos Kachrimanidis besonders am Herzen liegt. Die Erinnerung geht dabei zurück ins Jahr 1919 und führt zum Leidensweg der sogenannten Pontosgriechen. Sie lebten bis dahin seit dem Altertum an der Schwarzmeerküste des Osmanischen Reichs. Dieses Gebiet mit der türkischen Stadt Trabzon als Zentrum trug einst den Namen Pontos. Von dort wurden die Griechen vertrieben. Und sie wurden verfolgt.

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1,5 Millionen der Pontier ließen sich in der Folge im Norden Griechenlands nieder. „So wie meine Großeltern“, sagt Konstantinos Kachrimanidis, der selbst noch Pontisch sprechen kann, was dem Altgriechischen sehr ähnlich ist. Wer aber in der Türkei blieb, musste sich nicht nur von seiner Sprache lossagen, sondern auch von der christlichen Religion und seinem griechischen Namen. Deshalb wüssten manchen Türken gar nicht, dass sie griechische Wurzeln haben, sagt Kachrimanidis.

Viele der Pontier überlebten Vertreibung und Verfolgung nicht. Die Zahl der Todesopfer wird in Griechenland auf 350 000 beziffert. Weshalb die Teilnehmer des Stuttgarter Treffens, das um 15 Uhr auf dem Wilhelmsplatz in der Innenstadt beginnt, auch eine Forderung haben. „Es ist der Wunsch, dass Deutschland den Völkermord an den Pontosgriechen offiziell anerkennt, so wie die Parlamente in Österreich, Schweden und in den Niederlanden“, sagt Kachrimanidis, der am Samstagnachmittag mit rund 1000 Teilnehmern rechnet. Die werden am Wilhelmsplatz einen Trauerzug bilden und zum Stauffenbergplatz hinter dem Alten Schloss gehen. Dort sprechen unter anderem die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Hartmann-Müller, Takis Mehmet Ali aus der SPD-Bundestagsfraktion und der ehemalige Linken-Parteichef Bernd Riexinger. Erwähnung dürfte in den Reden auch das Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich finden, das 2016 vom Deutschen Bundestag zum Völkermord erklärt worden war.