„Wir haben geglaubt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf“, sagt der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil. Foto: SPD/Anne Hufnagl

Einer will Russland in die Knie zwingen, ein anderer stellt fest, dass uns Putin offenbar für korrupt hält. Und ein Ministerpräsident gibt Schwächen beim Addieren zu. So wurde bei „Markus Lanz“ zum Gasnotstand diskutiert.

Russland drosselt die Gaslieferungen an Deutschland, die Speicher füllen sich immer langsamer und sind mit einem Füllstand von 56 Prozent noch weit entfernt von den angestrebten 80 Prozent, der Wirtschaftsminister bereitet laut Medienberichten die Ausrufung der zweiten Stufe des Gasnotfallplans aus.

Der ZDF-Moderator Markus Lanz und seine Gäste haben die Fernsehzuschauer am Dienstagabend mitten in der sommerlichen Hitzewelle schon einmal auf einen frostigen Winter vorbereitet. „Dass Russland mit Gas Politik macht, wurde bisher immer geleugnet“, stellte der Welt-Redakteur Robin Alexander fest. „Jetzt sind wir mitten drin.“

Alexander, der von Lanz gerne eingeladen wird, weil er laut der regelmäßigen Bildschirmeinblendung als „einer der bestinformierten Journalisten in der Bundeshauptstadt“ gilt, stellte denn noch einmal die entscheidende Frage: „Wieso hält uns Putin für so korrupt, dass wir das alles mit uns machen lassen?“ Das war durchaus auch als Vorwurf gedacht an einen weiteren Diskutanten in der Runde, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), der sich noch 2020 – die Krim war seit sechs Jahren okkupiert, der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny lag vergiftet in der Charité – bei einem Besuch in Moskau gegen Sanktionen gegen Russland ausgesprochen hatte.

Heimlich die Gasspeicher leer gepumpt

Tatenlos sah seine Regierung zu, wie im vergangenen Jahr der Gasspeicher im niedersächsischen Rehden von den Russen offenbar schon in Vorbereitung auf den Krieg auf einen Füllstand von 0,4 Prozent leer gepumpt wurde. Medien hatten darüber berichtet. „Ich habe das nicht gewusst“, sagte Weil. Und 2015, als Rehden, immerhin der weltweit größte Gasspeicher, von der BASF an die russische Gazprom verkauft wurde, sei das insgesamt „kein großes Thema“ und politisch nicht umstritten gewesen.

Weil gab sich in der Runde durchaus selbstkritisch. Er habe mittlerweile viel nachgedacht über die damaligen Einschätzungen. „Wir haben es versäumt, eins und eins und eins zusammenzuzählen“, sagte der SPD-Politiker. Allerdings nicht nur seine Partei, sondern fast die gesamte deutsche Politik habe nicht sehen wollen, was nicht sein durfte. Einzig die Grünen stünden hier nun etwas besser da.

Dem stimmte auch Welt- (und Ex-taz-) Mann Alexander zu und verwies aber auch auf Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Gerade erst habe sie wiederholt, dass sie sich über Putin nie Illusionen gemacht habe. „Komischerweise hat sie trotzdem die gleiche Politik gemacht“, wunderte sich Alexander. Bei den Sanktionen sei sie allerdings sehr entschlossen gewesen.

„Der Westen hatte Dollarzeichen in den Augen“

Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer billigte der deutschen Politik immerhin zu, an ihr Konzept „Wandel durch Handel“ geglaubt zu haben. „Wir haben nicht erwartet, dass Putin bereit ist, seinem eigenen Volk so sehr zu schaden.“ Denn die nun erlassenen Sanktionen hätten starke Auswirkungen. Der ZDF-Korrespondent Johannes Hano, der gerade von einer Recherchereise in der umkämpften Ostukraine zurückgekehrt ist, drückte es anders aus: Die Deutschen hätten im Handel mit Russland alle Bedenken zurückgestellt, „weil sie Dollarzeichen in den Augen“ gehabt hätten. „Man hat nicht sehen wollen, was wirklich ist.“

Russland in die Knie zwingen?

Das Gleiche gelte nun auch wieder im Umgang mit China. Hier erreiche die Abhängigkeit des Westens eine noch größere Dimension. Das sah auch Schnitzer so. Während die eigene Abhängigkeit steige, bereite China eine Entkopplung vom Rest der Welt vor. Ihr Appell: „Wir müssen uns selbst unabhängiger machen.“

Hano forderte derweil unmissverständlich ein Eingreifen des Westens im Russland-Ukraine-Krieg. „Wir müssen Russland in die Knie zwingen, dass es die Nachbarländer nicht mehr bedrohen kann“, sagte Hano, der offenbar noch unter dem frischen Eindruck seiner Reise ins Kriegsgebiet stand. „Wir kommen um eine Konfrontation mit Russland nicht herum.“ Dem wollten die anderen Diskutanten aber nicht folgen. Es sei klar, dass die Nato in diesem Konflikt nicht zur Kriegspartei werden darf, sagte Weil. Wahr sei aber auch, was ein anderer Niedersachse schon vor mehr als 100 Jahren gesagt habe: „Der Friede muss bewaffnet sein“, zitierte er Wilhelm Busch.