Kevin Kühnert wird von Luisa Neubauer in die Mangel genommen (Archivbild). Foto: imago images/Future Image/Christoph Hardt

Markus Lanz diskutiert mit seinen Gästen über den Wahlkampf und die Optionen nach der Wahl. Klimaaktivistin Luisa Neubauer findet das Ganze „total merkwürdig“. Und Kevin Kühnert platzt irgendwann „gleich der Kopf“.

Stuttgart - Für Rechenspiele hat Luisa Neubauer wenig übrig. Den Bundestagswahlkampf fand die 25-jährige Klimaaktivistin „total merkwürdig“: „Wir stehen vor einer Jahrhundertwahl“, sagte sie. Die Parteien und die Medien hätten einen Sommer lang Zeit gehabt zu erklären, „was Phase ist“ – nämlich welche Eingriffe notwendig sein würden, um die Klimakrise zu stoppen. Und zwar jetzt. „Das ist eine moralische Frage: Wollen wir die junge Generation schützen?“ Stattdessen „geht es in jedem Gespräch um irgendwelche Koalitionen, wo jeder sagt, dass er sich alles offen hält“.

Wums. So en passant hat Markus Lanz die Sinnhaftigkeit der Fragestellung seiner ZDF-Talkshow noch selten um die Ohren gehauen bekommen. Zuvor hatten Kevin Kühnert (SPD) und Volker Wissing (FDP) genau das getan: sich mit Blick auf den Wahltag alles offen gehalten. Er strebe ein rot-rot-grünes Bündnis so wenig an wie andere Dreierbündnisse, erklärte der Sozialdemokrat. Lanz präsentierte einen Einspieler vom letzten Triell der drei Spitzenkandidaten vom vergangenen Montag. Annalena Baerbock erklärte da, es sei Zeit, „dass die CDU in die Opposition geht“, und Olaf Scholz sagte das Gleiche.

Kühnert hat Mühe zu Wort zu kommen

„Damit ist Jamaika“, das schwarz-grün-gelbe Bündnis, tot“, folgerte Lanz. „Das haben nicht Grüne und SPD zu entscheiden“, sagte dagegen der FDP-Mann Wissing. Entschieden werde nach der Wahl, dann müssten demokratische Parteien miteinander reden. „So nach und nach ist doch klar, wo die Reise hingeht“, meinte Lanz – nämlich zu einer rot-grün-gelben Ampel.

Kühnert versuchte zu erklären, warum er für sich persönlich als künftiger Bundestagsabgeordneter ausschließe, eine eventuelle neuerliche Große Koalition zu unterstützen und einen Armin Laschet zum Kanzler zu wählen. Der ehemalige Juso-Chef, der 2017 mit aller Macht die Große Koalition hatte verhindern wollen, hat für den Fall schon bei seiner Wahl zum Vizevorsitzenden seiner Partei angekündigt, den SPD-Vorstand zu verlassen. Leicht war das nicht für ihn, nicht weil er nicht gute Gründe hätte, sondern weil Lanz („Ihre Haltung zur GroKo hat sich aufgelöst wie eine Seifenblase“) ihm ständig ins Wort fiel. „Sie wollen die Ampel wirklich sehr, Herr Lanz“, staunte Kühnert.

Luisa Neubauer nimmt den Sozialdemokraten in die Mangel

Ausgerechnet der GroKo-Gegner Kühnert wurde nicht nur von Lanz, sondern auch von Luisa Neubauer in die Mangel genommen für die Klimapolitik der vergangenen Jahre, die für die Aktivistin mit dem grünen Parteibuch eben keine Politik war, sondern vertane Zeit. „SPD und CDU haben die Krise kleingeredet, sie haben es einfach nicht gerafft“, sagte sie mit Blick auf den Kohleausstieg bis 2038, der aus ihrer Sicht zu spät käme, und den CO2-Preis von ursprünglich nur zehn Euro, der aus ihrer Sicht viel zu niedrig war. Mittlerweile müssen für eine Tonne an Kohlendioxid-Emissionen 25 Euro bezahlt werden, in vier Jahren werden es 55 Euro sein.

Neubauer: „Ihr habt nicht die Eier gehabt zu sagen, wir steigen aus“

Neubauer reicht das nicht. Jemand müsste jetzt mal sagen, „ey Leute, wir haben uns umentschieden, wir müssen uns entschuldigen, lasst es uns anders machen“. Die nächsten vier Jahre müsste mehr gemacht werden als die acht Jahre davor, sollte die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden, wie es das Klimaabkommen von Paris vorsieht. „Das geht aber nicht, wenn niemand sagt, wie sehr man es wirklich verkackt hat“, kritisierte sie – auch nicht ihre eigene Partei. Die SPD habe nicht genug unternommen, um diesen Weg überhaupt zu beschreiten, warf Neubauer Kevin Kühnert vor. „Ihr habt nie die Eier in der Hose gehabt, zur Union zu sagen, das ist uns so wichtig, wenn ihr nicht mitmacht, dann steigen wir aus.“

„Wir haben keine Sprache für die Klimakrise“

Irgendwann platzte Kühnert „gleich der Kopf“: Das bloße Aufzählen von Szenarien reiche nicht aus, um die Menschen zu überzeugen, konterte er. „Wir haben keine Sprache für die Klimakrise“ um deutlich zu machen, welche Auswirkungen dieser Wandel auf ihr Leben, auf ihr Einkommen, auf das soziale Gefüge haben werde. „Die Menschen müssen diesen Weg mitgehen.“ Während des Wahlkampfs habe er an 50 000 Türen geklingelt. Und er müsse einfach zur Kenntnis nehmen, dass vermeintlich profane Themen wie der Spritpreis oder die Heizkosten die Menschen beschäftigten.

Auch die FDP bekommt noch ihr Fett weg

Volker Wissing verfolgte das eher als Zaungast. Aber auch die FDP, die die CO2-Emissionen über eine Mengensteuerung herunterfahren möchte, in dem sie die Zahl der entsprechenden Zertifikate nach und nach zurückschraubt, bekam ihr Fett weg. „Jedes Programm ist besser als ihres“, bescheinigte Luisa Neubauer den Liberalen. Wissing verwies auf ein Gutachten der Uni Marburg, dass die FDP in Auftrag gegeben hat – und das zu einem gegenteiligen Schluss kommt: Das effizienteste Programm in Sachen Klimaschutz sei das der FDP. Damit ließen sich die Paris-Ziele nicht erreichen. „Sie deckeln die Kohlendioxid-Emissionen nur, sie verbieten nicht“, sagte sie. Vor zwei Jahren habe ihr der FDP-Chef Christian Lindner bei Markus Lanz gesagt, sie solle das Mal den Profis überlassen. „Jetzt wünscht man sich, sie würden Profis machen lassen.“