Gut erholt nach der Weihnachtspause und voller Vorfreude auf die Weltmeisterschaft: Handballer Manuel Späth. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Esslingen – Seit elf Jahren ist Manuel Späth eine feste Größe in der Handball-Bundesliga und seit eineinhalb Jahren Kapitän von Frisch Auf Göppingen. Immer wieder aber lässt sich der 31-jährige Kreisläufer, der im kommenden Sommer zum TVB Stuttgart wechselt, bei seinen früheren Vereinen in Neuhausen und Ostfildern blicken. Wie vor zwei Jahren wird Späth auch diesmal während der Weltmeisterschaft eine Kolumne für diese Zeitung schreiben. Vorher äußert sich der 38-fache Nationalspieler über das anstehende Turnier und seine eigene Zukunft.

Sie haben eine anstrengende Hinrunde hinter sich und hatten nun ein paar Tage Urlaub. Wie sehr freuen Sie sich jetzt auf die WM?

Späth: Als Handballer und als Fan fiebert man natürlich mit. Die Vorfreude steigt von Tag zu Tag – ich hoffe, dass die deutsche Mannschaft weit kommt, vielleicht so weit wie bei der EM.

Es gab ziemlich viel Ärger um die Nicht-Übertragung der Spiele im frei empfangbaren Fernsehehen. Wie und wo werden Sie die WM verfolgen?

Späth: Ich werde sie im Live-Stream auf der DKB-Seite im Internet anschauen. Es war ja lange nicht klar, ob das klappt. Wäre es nicht gegangen, hätte ich wohl mit meinen ausländischen Mitspielern gesprochen, ob sie andere Möglichkeiten haben. Zarko Sesum wohnt bei mir im Haus, er bekommt bestimmt serbische Kanäle rein.

Mit serbischem Kommentar.

Späth: Ja, das müsste ich mir dann übersetzen lassen. Aber wenn die Serben fluchen, verstehe ich das ganz gut.

Es wurde kritisiert, der deutsche Handball habe nicht genug Lobbyarbeit betrieben und sich nicht um einen „Kulturgut-Status“ bemüht, wie ihn etwa große Fußball-Turniere genießen.

Späth: Ich finde, dass man uns nicht immer mit dem Fußball vergleichen muss, dazu hat der Fußball eine zu große Vormachtstellung. Aber ich denke trotzdem, dass die großen Handballturniere in einer breiten Öffentlichkeit stark wahrgenommen werden, das hat man an den Einschaltquoten der EM gesehen. Man sollte deshalb schon dafür sorgen, dass die Spiele im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt werden. Was da alles hinter den Kulissen passiert ist, ist natürlich schwer zu erkennen. Aber wahrscheinlich liegt der ursprüngliche Fehler bei den Bossen der internationalen Verbände um IHF-Präsident Hassan Moustafa, die die Rechte an BeIN Sports vergeben haben. Das war blauäugig. Man hätte in den Verträgen die entsprechenden Übertragungsrechte in den großen Handball-Nationen festschreiben müssen.

Natürlich werden Sie der deutschen Mannschaft die Daumen drücken. Mit welchen Spielern fiebern Sie besonders mit?

Späth: Nachdem mein Mannschaftskamerad Jens Schöngarth aus dem deutschen Kader gestrichen wurde, beobachte ich nicht spezielle Spieler. Ich hoffe darauf, interessante Spiele zu sehen mit einem guten Niveau oder dass man im taktischen Bereich mal wieder etwas Neues erkennt. Ich bin zum Beispiel darauf gespannt, wie die neue Regel mit dem siebten Feldspieler umgesetzt wird.

Bundestrainer Dagur Sigurdsson ist ja nicht so ein großer Fan des siebten Feldspielers.

Späth: Das stimmt. In Unterzahlsituationen lassen es fast alle spielen, damit man quasi den sechsten Feldspieler kompensiert. Aber regelmäßig den Torwart rauszunehmen, war bei ihm nicht so oft zu beobachten. Die Erfahrung auch in der Bundesliga zeigt nach einem halben Jahr, dass nur wenige Trainer damit positive Erfahrungen gemacht haben. Es ging oft nach hinten los – im wahrsten Sinne durch viele Gegentreffer aufs leere Tor. Die Möglichkeit werden bei der WM wahrscheinlich vor allem die kleineren Nationen nutzen.

Seit der WM vor zwei Jahren sind bei Ihnen selbst nochmal sieben Länderspiele dazugekommen. Die Hoffnung auf ein Comeback bei einen großen Turnier ist dadurch aber nicht gewachsen, oder?

Späth: Es ist immer schön, für die Nationalmannschaft zu spielen, auch bei Freundschaftsspielen, wie es bei mir zuletzt der Fall war. Natürlich wäre es toll, so ein Turnier zu spielen. Aber ich habe bei Dagur Sigurdsson nie so zum engen Kreis gehört, dass ich mir ernsthaft hätte Hoffnungen machen können. Dazu hätten auf der Kreisposition schon viele Spieler ausfallen müssen. Die, die jetzt im Kader sind, haben sich etabliert, haben es in den vergangenen zwei Jahren gut gemacht und sind völlig zurecht dabei.

Was trauen Sie dem DHB-Team zu – immerhin ist es der amtierende Europameister.

Späth: Wenn man als Europameister zu einer WM fährt, dazu noch Bronze bei den Olympischen Spielen geholt hat, dann muss man schon um den Titel mitspielen. Die letzten zwei Testspiele haben gezeigt, dass die Mannschaft auf einem guten Weg ist, auch wenn es vielleicht nicht die großen Gradmesser waren. Deutschland und Gastgeber Frankreich sind die Titelfavoriten.

Welche Teams muss man noch im Auge haben?

Späth: Dänemark muss man immer dazuzählen. Das Team hat einen breiten, guten Kader mit vielen Spielern aus der Bundesliga. Dazu die Spanier, die immer einen etwas anderen Handball spielen – obwohl ich sie diesmal nicht ganz so stark einschätze wie Frankreich, Dänemark und Deutschland. Überraschungen wird es wohl höchstens in der Gruppenphase geben, aber nicht, was die Vergabe des Titels betrifft.

Ist es ein Nachteil für das deutsche Team, dass der Abgang von Dagur Sigurdsson nach der WM feststeht?

Späth: Ich sehe es eher so, dass Dagur die Mannschaft zwar nicht besser vorbereitet – das macht er sowieso –, aber dass er vielleicht noch ein bisschen mehr Motivation auf das Team überträgt, weil es eben sein letztes Turnier ist und er alles daransetzen wird, sich bestmöglich zu verabschieden. Für ihn gäbe es nichts Schöneres, als die Mannschaft mit dem WM-Titel zu verlassen. Wenn er als Weltmeister abtritt, macht er sich für den deutschen Handball unsterblich. Deshalb sehe ich das überhaupt nicht als Nachteil, sondern eher als Vorteil. Während des Turniers wird das auch nicht in den Köpfen der Spieler sein. Alle wollen den Titel holen.

Es gibt Stimmen, die kritisieren, man hätte sich beim Verband mehr darum bemühen müssen, dass Sigurdsson bleibt.

Späth: Wie intensiv die Bemühungen hinter den Kulissen waren, ist für mich schwer zu beurteilen. Über die Medien betrachtet hatte es schon den Anschein, dass man ihm schnell entgegengekommen ist, als er gesagt hat, dass er etwas Neues machen will. Aber wenn er sich dafür entschieden hat, muss man nicht unbedingt versuchen, ihn zum Bleiben zu überreden. Ich denke, es war keine Entscheidung gegen Deutschland, sondern für die neue Aufgabe in Japan – was in Hinblick auf die Olympischen Spiele in Tokio 2020 auch eine reizvolle Aufgabe ist. Finanziell soll das Angebot aus Japan auch nicht schlecht sein. Dagur hat enorm viel für den deutschen Handball geleistet und wird seinem Nachfolger ein gut bestelltes Feld hinterlassen – egal, wer es wird.

Und wer soll Nachfolger werden?

Späth: Puh. Als zukünftiger Spieler vom TVB Stuttgart hoffe ich natürlich, dass Markus Baur dort bleibt. Wir kennen uns schon lange und ich freue mich darauf, endlich mit ihm zusammenzuarbeiten. Wie es aussieht, gilt Christian Prokop aus Leipzig ja als erste Wahl. Ich denke, dass es sich zwischen den beiden entscheiden wird – obwohl es mich ein bisschen wundert, dass Baur ein Kandidat ist. Beim DHB hatte man unter Bob Hanning (Vizepräsident Leistungssport; Anm. d. Red.) ja auch durch die Verpflichtung von Sigurdsson mit der goldenen WM-Generation von 2007 mit dem damaligen Trainer Heiner Brand und Baur als Spieler abgeschlossen.

Die vergangene WM fand in Katar statt, das gab Kritik. Jetzt ist die Handball-Nation Frankreich Gastgeber. Was für eine Stimmung erwarten Sie dort?

Späth: Dadurch, dass wir mit Göppingen wieder voll in der Vorbereitung stecken, werde ich wahrscheinlich leider nicht hinfahren können – vielleicht schaffe ich es bei den Finalspielen. Die französische Liga hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt, die Hallen sind voll, die Nationalmannschaft ist ohnehin auf Top-Niveau. Daher erwarte ich eine Handball-Euphorie, vor allem, wenn Frankreich weit kommt. Und für die Fans der umliegenden Nationen ist es natürlich einfacher, kurzfristig zu K.o.-Spielen zu reisen.

Ihr bevorstehender Wechsel von Frisch Auf Göppingen zum TVB Stuttgart hat für Aufsehen gesorgt. Kommt jetzt schon ein bisschen Wehmut auf?

Späth: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir nicht ab und zu Gedanken über das letzte Spiel für Göppingen mache. Elf Jahre sind einfach eine lange Zeit. Wenn da nicht etwas Wehmut aufkommen würde, wäre etwas falsch gelaufen. Zumal es fast durchweg positiv für mich lief. Und auch, wenn in dieser Saison sportlich bislang nicht alles optimal läuft, haben wir ja noch einige interessante Spiele vor uns. Wir haben die Chance, ins Final Four des EHF-Pokals zu Hause in Göppingen einzuziehen. Wenn wir da nochmal um einen Titel spielen könnten, wäre das ein cooler Abschluss für mich. Die Entscheidung, nach Stuttgart zu wechseln, halte ich aber nach wie vor für richtig.

Beide Teams haben gerade Probleme. Es könnte sein, dass Sie in der kommenden Saison in der 2. Bundesliga spielen.

Späth: Ich habe mich natürlich auch schon vor der Entscheidung damit befasst, dass dieser Fall eintreten könnte. Ich habe in Stuttgart auch einen Vertrag für die 2. Bundesliga. Wenn es so kommen sollte, wäre es für den TVB erst einmal ein Dämpfer. Aber der Verein hat sich so gut entwickelt, dass dann alles auf den direkten Wiederaufstieg ausgelegt werden kann. Für mich könnte ich dann vielleicht den positiven Aspekt sehen, dass die 2. Bundesliga etwas Neues wäre und ich nach meiner Zeit beim TSV Neuhausen mal wieder die Chance hätte, einen Aufstieg zu schaffen. Aber natürlich würde ich lieber auch eine zwölfte Saison in der Bundesliga spielen und ich bin auch zuversichtlich, dass es Stuttgart schafft, wenn die Mannschaft in der Rückrunde wieder komplett antreten kann.

Wie vor zwei Jahren werden Sie für diese Zeitung das Geschehen bei der WM analysieren, in der morgigen Ausgabe erscheint die erste Kolumne „Späthlese“. Damals kam das sehr gut an – worauf können sich die Leser diesmal freuen?

Späth: Ich bin mir sicher, dass ich ähnlich wie vor zwei Jahren eine interessante Kolumne für die Leser schreiben kann aus Sicht eines Spielers, der es in der Bundesliga tagtäglich mit vielen Handballern zu tun hat, die bei der WM im Einsatz sind. Ich werde zu einigen von ihnen Kontakt haben und kann ein paar andere Eindrücke sammeln als die Journalisten vor Ort und einen Blick hinter die Kulissen werfen, abseits von den reinen Spiel- und Hintergrundberichten.

Das Interview führte Sigor Paesler.