Das Stuttgarter Landgericht hat einen 45-Jährigen aus dem Kreis Esslingen zu fast fünf Jahren Haft wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in pornografischer Absicht verurteilt. Die Opfer waren Mädchen auf den Philippinen.
Über Jahre hinweg hat ein Mann aus einer kleinen Esslinger Kreisgemeinde Mädchen auf den Philippinen per Livestream sexuell missbraucht. Die halb nackten Kinder mussten vor laufender Kamera aufreizende Posen einnehmen. Der 45-Jährige hat über die Chatfunktion dazu Kommandos gegeben. Die meisten Opfer waren nicht älter als 13 Jahre, die jüngste war gerade mal fünf Jahre alt. Vermittelt wurden sie von vier Frauen, die er dafür bezahlte. Filme und Fotos des Missbrauchs, in dem weiße, spermaähnliche Creme eine Rolle spielte, hatte der Mann teilweise auf seinen Festplatten versteckt.
Das Stuttgarter Landgericht hat den Mann am Donnerstag in 36 Fällen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in pornografischer Absicht und in sieben Fällen wegen Kinderpornografie zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Die achte Große Strafkammer ist damit deutlich unter der Forderung des Staatsanwalts geblieben, der zuvor für eine Gesamtfreiheitsstrafe von achteinhalb Jahren plädiert hatte. In das Urteil eingeflossen seien unter anderem die Vielzahl gleichförmiger Taten und das sehr junge Alter der Opfer. Der 45-Jährige habe zudem die Notlage der Menschen auf den Philippinen ausgenutzt, schloss sich der Vorsitzende Richter den Ausführungen des Staatsanwalts an.
Der Ankläger hatte das drastischer formuliert. „Der Angeklagte ist für das Leid massiv verantwortlich. Denn die Nachfrage schafft das Angebot“, sagte er. Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht dessen frühes Geständnis und die Tatsache, das einige Taten längere Zeit zurückliegen.
Gegenstand des Prozesses, der mit nur zwei halben Verhandlungstagen schnell zu Ende ging, war auch die Frage, wie Übertragungen in Echtzeit rechtlich zu betrachten seien. Letztlich kam das Gericht aufgrund der neueren Gesetzeslage zu der Einschätzung, dass keine physischen Datenträger vorliegen müssen, damit der Tatbestand der Verbreitung gegeben sei. „Auch wenn der Laie sich wundern mag, ein Livestream reicht aus“, so Richter Ulrich Tormählen.
„Nicht selbst Hand angelegt“
Der Verteidiger des 45-Jährigen hatte in seinem Schlusswort kein Strafmaß genannt. Er verwies auf die sogenannte Anker-Theorie. Die beschreibt den Effekt, dass sich Menschen von einem genannten Ausgangswert unbewusst beeinflussen lassen. Er zielte damit auf das geforderte Strafmaß des Staatsanwalts ab, dessen Anker sei „verwerflich“.
Der Rechtsanwalt zog für sein Plädoyer auch Medienberichte von regionalen Fällen heran, in denen Angeklagte für physische sexuelle Übergriffe deutlich geringer bestraft worden seien. „Mein Mandant hat nicht selbst Hand angelegt“, so der Verteidiger. Der Staatsanwalt beurteilte die Geschehnisse, die 2018 begonnen hatten, dagegen anders: „Wir haben kein rein digitales Geschehen. Es lag ein reales Geschehen auf den Philippinen vor“, sagte er.
Verurteilter zeigt Reue
Der 45-Jährige akzeptierte noch im Gerichtssaal das Urteil gegen ihn. „Was ich getan habe, belastet mich sehr“, sagte er und entschuldigte sich bei den Opfern und bei seiner Familie. Im Prozess hatte der verheiratete Mann sein Verhalten mit Potenzstörungen begründet. Als ihm eine philippinische Chatpartnerin ihre Kinder anbot, habe er etwas Neues ausprobieren wollen. Pädophile Neigungen habe er aber nicht und die Aufnahmen des Missbrauchs auch nicht weitergeleitet.
Festgenommen worden war der IT-Fachmann im Mai nach Hinweisen von internationalen Ermittlern, die eine der Kontaktfrauen festgenommen hatten. Ob die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt, blieb zunächst offen.