Im Dokumentarfilm " «KROOS» übt Toni Kroos Kritik an Bayern München. Foto: Andreas Gebert Foto: DPA - Andreas Gebert

In seiner Dokumentation „Kroos“ kommt der Regisseur Manfred Oldenburg dem Fußballer Toni Kroos so nah, wie man das in Sportler-Dokus nur selten erlebt.

EsslingenFür Matthias Sammer ist er „einer der größten Dirigenten, die der deutsche Fußball je hatte“. Und der Journalist Paul Ingendaay sieht in ihm gar „die Idealverkörperung dessen, was das Ausland an Deutschland erkennt: deutsche Ernsthaftigkeit, deutsches Handwerk, deutschen Sonnenbrand“. Toni Kroos, einer der herausragenden Spieler im Star-Ensemble des königlichen Fußballclubs Real Madrid, hat geschafft, wovon die meisten jungen Kicker nur träumen können. Anders als viele seiner Kollegen ist der gebürtige Mecklenburger jedoch auf dem Boden geblieben. Auf dem Fußballplatz agiert er häufig unspektakulär, dafür jedoch meist äußerst effektiv. Und abseits des Platzes lebt er mit seiner Familie ein eher unauffälliges Leben – die branchentypischen Eskapaden überlässt er anderen. Der Dokumentarfilmer Manfred Oldenburg durfte Toni Kroos so nahe kommen, wie das nur den allerwenigsten vergönnt ist. Das Ergebnis ist ein Film, dessen Titel perfekt zum Thema passt: Oldenburg hat seine Doku schlicht „Kroos“ genannt – und genau wie der Mann, um den sich alles dreht, bietet dieser Streifen viel mehr, als man auf Anhieb vielleicht erwarten würde.

„Ich weiß, dass ich in einer Welt lebe, die eigentlich nicht normal ist“, sagt Toni Kroos. „Ich hatte schon immer das Bewusstsein für mich, dass es mir ziemlich gut geht. Ich habe ziemlich viel Glück in meinem Leben. Das erste Glück ist schon mal, dass ich mein Hobby zu meinem Beruf machen kann. Dass ich damit auch noch ziemlich viel Geld verdiene, dass ich gesund bin, dass meine Frau gesund ist, dass ich gesunde Kinder habe. Das alles zusammen findet man nicht so oft, und dessen bin ich mir schon bewusst.“ Als er 1997 seine Fußballer-Karriere beim Greifswalder SC begann, hätte Kroos wohl kaum vermutet, dass er irgendwann zu den gefeierten Stars des Weltfußballs zählen würde. Über Hansa Rostock ging’s 2006 weiter zum deutschen Branchenprimus Bayern München – seit 2014 spielt Toni Kroos bei Real Madrid. Damals ließen ihn die Bayern ziehen – heute kommt deren Präsident Uli Hoeneß durchaus ins Grübeln: „Ein Verein muss manchmal harte Entscheidungen treffen, und das war eine harte – vielleicht auch die falsche.“

Wenn einer wie Uli Hoeneß einen Anflug von Selbstzweifel zeigt, ist das schon ein bisschen ungewöhnlich. Und es zeigt die Ausnahmestellung, die Toni Kroos in dieser Szene einnimmt. Wenn er auf dem Platz steht, besticht er weniger durch große Gesten und spektakuläre Kabinettstückchen. Dafür hat er ganz andere Qualitäten, die sein Ex-Trainer Jupp Heynckes so beschreibt: „Auf seiner Position gehört er zu den zwei besten Mittelfeldspielern der Welt. Er sieht alles. Das hat aber auch damit zu tun, dass er nicht überfordert ist, in keiner Situation, und dass er in sich ruht. Ganz große Spieler sind psychisch stark – nicht nur großartige Fußballer, starke Fußballer, nein, du musst im Kopf klar sein. Im Hirn wird viel mehr entschieden als mit den Füßen.“

Es ist beeindruckend, mit welchem Respekt viele seiner Kollegen und Trainer über Toni Kroos sprechen. Und selten hatte ein Filmemacher Gelegenheit, sich so frei und unbeschränkt im Backstage-Bereich des Weltfußballs umzuschauen, wie Manfred Oldenburg dies tun durfte. Sportler-Dokus gibt es viele. Viele sind gut gemeint, nur wenige sind gut gemacht, weil die Filmemacher im Grunde doch nur an der Oberfläche kratzen durften.

„Kroos“ zeichnet das authentische Bild eines Kickers, der wohltuend anders ist als viele andere. Und dessen Beispiel zeigt, dass Fußball auf höchstem Niveau nicht zwingend nur von Ich-AGs gespielt wird.