Zum Start der Mahnwache stehen 17 Teilnehmer am türkischen Konsulat. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Waiblinger und Stuttgarter Gruppen von Amnesty International haben eine Mahnwache vor dem türkischen Konsulat abgehalten. Spezifisch geht es um Gezi-Gefangene wie Can Atalay.

Am Freitagnachmittag organisierten die Ortsgruppen Amnesty International Waiblingen und Amnesty International Stuttgart von 15.30 bis 16.30 Uhr eine Mahnwache vor dem türkischen Konsulat in Stuttgart. Das gewählte Datum, der 25. April, war dabei auch kein Zufall. An diesem Tage im Jahr 2022 wurde unter anderem Can Atalay im Rahmen des Gezi-Prozesses zu 18 Jahren Haft verurteilt. Der prominente Menschenrechtsanwalt ist seitdem im Hochsicherheitsgefängnis Silivri inhaftiert. Die Mahnwache sollte „ein Zeichen für alle politischen Gefangenen in der Türkei“ setzen, „die willkürlich ihrer elementaren Menschenwürde beraubt werden“, wie es in der Ankündigung heißt.

Ein besonderer Fall im Vordergrund

Atalays Gesicht sowie sein spezifischer Fall wurden am prominentesten auf Papiere und Postkarten gedruckt. Wie auf einer der Postkarten geschrieben steht, konnten in dem gesamten Verfahren „keine Beweise erbracht werden, dass die verurteilten Personen irgendwelche Straftaten begangen haben“. Seit dem Juni 2024 konzentriert sich die Amnestgruppe Waiblingen mit Einzelfallarbeit um ihn. Besonders in seinem Fall: Trotz seiner Inhaftierung kandidierte er bei der Parlamentswahl 2023 für die Arbeiterpartei der Türkei in der Provinz Hatay – und wurde gewählt.

„Er ist nicht in Silivri, er geht mit uns“ steht auf einem Plakat zu Can Atalay. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Nach Zurückweisung seines Antrags auf Freilassung urteilte das Verfassungsgericht im Oktober 2022, „dass das Recht von Can Atalay gewählt zu werden und sich politisch zu engagieren sowie sein Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit verletzt worden sei“, wie Amnesty Waiblingen dokumentiert. Jedoch gab die 3. Strafkammer des Kassationsgerichts dann ihre endgültige Entscheidung bekannt: der heute 49-Jährige sei rechtskräftig verurteilt. Sein Parlamentsmandat wurde aufgehoben.

Persönlicher Kontakt zu Atalay

Wie Albrecht Rehberger von Amnesty International Waiblingen erzählt, hat man mit Can Atalay etwa einmal im Monat Briefkontakt. Das sei selten, dass man so einen Kontakt mit einem Gefangenen hat. Ob wirklich alles ankommt, weiß er natürlich nicht, aber die Dankesbriefe Atalays für die Unterstützung finden ihren Weg aus dem Hochsicherheitsgefängnis Silivri außerhalb von Istanbul.

Die Mahnwache fand am Kernerplatz gegenüber des türkischen Konsulats in Stuttgart statt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Wie Rehberger erklärt, wurde die Mahnwache absichtlich nicht groß gestreut. Es wurden keine politischen Organisationen wie die Exilparteien eingeladen. Sonst hätte es den von ihnen geplanten Rahmen gesprengt. Es solle eine Mahnwache sein, keine Demo. Hinter dem Zebrastreifen der Kernerstraße gegenüber des Konsulats stehen so 17 Teilnehmer der Mahnwache. Das ausgestattet mit gelben Amnesty International Westen und Bannern sowie Pappplakaten mit Informationen zu Can Atalay und weiteren Inhaftierten, Osman Kavala, Cigdem Mater, Mine Özerden und Tayfun Kahraman.

Eine Stunde Mahnwache

Eine Reaktion aus dem türkischen Konsulat gab es weder zur Ankündigung noch sollte es sie während dieser Stunde geben. Autofahrer werfen beim Vorbeifahren einen Blick auf die Gruppe am Straßenrand. Die Menschen vor Ort gehen weiter normal ihrem Alltag nach und um die Mahnwache herum oder durch sie hindurch. Die Teilnehmer von Amnesty zeigen sich stets offen für Gespräche und haben die Postkarten & Co. griffbereit, doch sind dabei abwartend und keinerlei aufdringlich.

Nach einer guten halben Stunde nimmt sich ein jüngeres Pärchen dann Informationen auf die Hand mit, es sollte aber der einzige direkte Kontakt mit vorbeigehenden Menschen bleiben. Das sei aber üblich, es gäbe selten viele Gespräche. Aber: immerhin sei auch noch nie einer aus der Botschaft gestürmt. Eintretendem Regen halten die Teilnehmer auch stand. Etwa 15 Minuten vor dem Ende der Aktion ist die Gruppe allerdings auf elf Teilnehmer geschrumpft.

Viele Gruppen von Amnesty International haben ein Rekrutierungsproblem bei jungen Leuten. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Darunter natürlich auch weiterhin Albrecht Rehberger von Amnesty Waiblingen, der schon seit 1979 ununterbrochen Mitglied und ehrenamtlich tätig ist. Das ist auch deshalb bemerkenswert, da es das Rekrutierungsproblem bei jungen Leuten aufzeigt. Es gibt zwar auch Schul- und Hochschulgruppen, hier verlaufe es sich dann aber oft nach dem Abschluss. Wie Rehberger erzählt, sind die Jüngsten bei ihm und in vielen anderen Gruppen über 50 Jahre alt. Bei dieser Mahnwache am Freitag war auch nur eine jüngere Person mit dabei.